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Blut muss fließen

Blut muss fließen

Titel: Blut muss fließen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kuban
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von Bands wie »Endlöser« und T-Shirts der Terrorgruppe Combat 18 wie andere Waschmittel und Wollsocken – vor allem in Ostdeutschland. Was früher nur bei konspirativ organisierten Skinhead-Konzerten verscherbelt wurde, bietet seit einigen Jahren der Laden um die Ecke oder gar das Kaufhaus in der Innenstadt an.
    »Geschäftig« recherchiert habe ich von 2006 bis 2011. Eine meiner ersten Shopping-Touren führte mich im März 2006 nach Mylau, ein sächsisches 3000-Einwohner-Städtchen. Noch nie (und auch seither nie wieder) war ich in einem Ort unterwegs, dessen Straßenbeschilderung derart unübersichtlich war, was die Anbringung der Tafeln und die Lesbarkeit der frakturartigen Schrift betrifft. Obendrein führte die Wegbeschreibung, die ich mir aus dem Internet ausgedruckt hatte, nicht zum Ziel. Mit einem Navigationssystem war ich damals noch nicht ausgestattet. Und aus meinem Auto heraus einen Einwohner zu fragen, wo’s zum Nazi-Laden geht, schien mir nicht ratsam zu sein. Im ungünstigsten Fall wäre ich an einen örtlichen »Kameraden« geraten, der sich über das fremde Nummernschild gewundert und es sich daher gemerkt oder notiert hätte. Mindestens eine Stunde lang bin ich kreuz und quer und immer wieder im Kreis gefahren, bis ich die braune Bude doch noch gefunden habe.
    Das Schild an der bröckelnden Hausfassade kündete vom Untergang der germanischen Götter: »Ragnarök«, so hieß das Geschäft. Die stählerne Eingangstür und ein Zigarettenautomat daneben waren mit Aufklebern tapeziert. Eine Armlänge von einem Parteilogo der NPD entfernt prangten die Buchstaben »A.C.A.B.« – sie stehen für »All Cops Are Bastards«. Die Polizei war hier unerwünscht. | 205 |
    Hinter der Tür lag ein dunkler Flur, von Transparenten und Flaggen gesäumt. Die Kämpfer aus der Nazi-Zeit wurden als »die besten Soldaten der Welt« verehrt – auf schwarz-weiß-rotem Grund. Ein schwacher Lichtstrahl wies den Weg in einen schummerigen Raum, den eigentlichen Ort der »Götterdämmerung«. Ein bierbäuchiger, volltätowierter Skinhead lümmelte hinter einer Verkaufstheke herum, auf der »Troublemaker« stand. Statt Ärger wollte der schätzungsweise zweieinhalb Zentner schwere Germane aber lieber Geschäfte machen. Der »Masterrace«-Schal, der oberhalb seines Kopfes an der Wand hing, war nicht nur ein Bekenntnis zum Rassedenken, sondern zugleich ein Hinweis auf die gleichnamige Kleidermarke, die er im Sortiment führte. Für zehn Euro gab es hier ein Kissen mit dem Porträt von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß zu kaufen, diesem angeblichen »Märtyrer des Friedens«. Weniger friedlich wirkte der Pullover zwei Regalfächer weiter unten: Außer der Aufschrift »Revierreinigung« war ein Sturmgewehr auf den Stoff gedruckt. Und am Kleiderständer nebenan hing ein »T-Hemd« für Fußballgewalttäter mit politischem Anspruch: »Hoolicaust 2006«. Die Weltmeisterschaft in Deutschland stand kurz bevor.
    Ragnarök war ein Nazi-Laden, wie man ihn sich vor einer solchen Recherche klischeemäßig vorstellt. Hier gab es unter anderem Supporter-Shirts für eine der berüchtigtsten Bands in Deutschland: »D.S.T.« alias »Deutsch, Stolz, Treue«. Die Combo fordert auf einer ihrer CDs unter anderem zum Mord an Juden auf. Vermutlich aufgrund der Ermittlungen gegen die Gruppe trat sie später unter dem Tarnnamen »X.x.X.« in Erscheinung, das ist in der Szene ein offenes Geheimnis.
    Im CD-Regal entdeckte ich ein Werk der Black-Metal-Band »Epithalium« mit dem programmatischen Titel Ausrottung. Ob der namensgebende Song oder das Lied Endsieg strafbar sind? Ein Verfahren würde im Zweifel daran scheitern, dass die Texte nicht verständlich gesungen werden und sie im Booklet vorsorglich nicht abgedruckt sind. Eine dazu passende Handlungsdevise war auf einem T-Shirt nachzulesen: »Wir ficken euer Scheißsystem.«
    Das Geschäft mit den Neonazis boomt. In Ostdeutschland ist der Markt so profitabel geworden, dass sogar bürgerliche Geschäftsleute | 206 | Neonazi-Ware ins Programm genommen haben. Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz bestätigte während meiner Recherchen im Jahr 2006: »Unter den rechtsextremistischen Vertriebsstrukturen in Sachsen gibt es Unternehmen, deren Inhaber nicht der rechtsextremistischen Szene zugerechnet werden können.«
    Im Dresdner Innenstadtkaufhaus Mälzerei, unter dessen Dach rund zwei Dutzend Fachgeschäfte versammelt sind, stieß ich bei meiner Recherchetour im Jahr 2006 neben dem

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