Blut Schatten
aufhalfen.
»Verdammt, Tante Faye!« Kimberlys verschrecktes Gesicht tauchte vor mir auf. »Wo seid ihr gewesen? Ihr ward plötzlich weg.«
»Alles in Ordnung, Sir?«, vernahm ich Jasons Stimme neben mir und sah, wie er Darian die Hand zum Aufstehen reichte.
»Danke, kein Grund zur Sorge. Bist du okay, Faye?«
Ich ließ die Schultern kreisen und tastete meinen Kopf ab. »Ja, alles noch dran. Alle Achtung, was war das bloß für eine schräge Nummer?« Da fiel mein Blick auf meine Handfläche, in der ich noch immer die Träne und die geteilte Dattel hielt. So viel dazu.
Er war meinem Blick gefolgt, nahm die Träne und legte sie zurück in das Trockenobst. Dann umfasste er meine Hand und schloss sie. »Achte gut darauf.«
Nickend steckte ich sie zurück an ihren Platz, trat dann hinter Darian und ließ meine Hände prüfend über seinen Rücken wandern.
»Schatz, du brauchst nicht -«
»Ich benötige eine Pinzette und eine Lupe, Kim. Hast du so etwas griffbereit?«
»In der Küche. Außerdem ist da das Licht besser.« Sie war neben mich getreten und betrachtete neugierig die glitzernden Splitter in Darians Rücken. »Glas?«
»Vermutlich.«
»Wo seid ihr denn durchmarschiert?«
Darian drehte sich um und zwinkerte ihr zu. »Durch eine Glasscheibe. Das bleibt aber unser Geheimnis.«
»Na logo.« Sie signalisierte uns, ihr zu folgen. Jason löschte die Kerzen und kam uns nach.
- Kapitel Siebzehn -
H ochzeitsvorbereitungen im herbstlichen New York waren vermutlich genauso stressig wie im verregneten London. Selbst Paris wäre da keine Ausnahme, würde man von einem Brautgeschäft ins nächste geschleppt. Und was interessierte das Wetter, wenn man es ohnehin nur durch die Schaufenster wahrnahm?
Es regnete junge Hunde, als Ernestine mich nun den dritten Tag in Folge in die heiligen Hallen eines weiteren Brautausstatters schleppte, der sich in der 8th Street befand. Die übrigen Läden in Manhattan hatten wir bereits durch, und inzwischen keimte in mir Unwillen auf. Ich hatte unzählige Kleider diverser namhafter Designer gesehen, die gefühlte doppelte Menge davon anprobiert und als ungeeignet befunden. Entweder waren sie zu pompös oder sie zwängten mich ein wie eine Presswurst im Kunstdarm. Fast schon war ich geneigt, Kimberlys Vorschlag ernsthaft in Erwägung zu ziehen: ein schwarzes Spitzenkleid als Protest gegen das weiße Diktat vorgetäuschter Jungfräulichkeit auf dem Weg in den Ehehafen. Das war mir dann doch etwas zu morbid.
Vorbei an Jason, der uns zuvorkommend die Glastür aufhielt, betraten Ernestine und ich den ausschweifend romantisch ausstaffierten Verkaufsraum des Geschäfts, bei dem wir uns vor einer guten Stunde telefonisch angekündigt hatten. Das war in dieser Branche so üblich.
»Sie wirken etwas ermüdet, Miss McNamara«, raunte Jason mir zu. »Möchten Sie, dass ich Ihnen einen Kaffee besorge?«
»Ich brauche keinen Kaffee, Jason. Ich brauche ein verdammtes Brautkleid, mit dem auch Ernestine einverstanden ist, und das zügig-« »Ah, ich ahnte es bereits. Haben Sie es ihr gesagt, Miss McNamara?«
Ertappt senkte ich den Blick. »Bislang nicht. Sie ist begeistert bei der Sache und gleichzeitig wie eine Mutter zu mir. Ich möchte sie nicht verletzen.«
»Ah ja, deswegen verletzen Sie sich lieber selbst. Nun denn ...« Er lächelte spröde und wandte sich um. »Ernestine, meine Liebe, wenn Sie einen Moment erübrigen könnten, bitte.«
»Jason ...« Zu spät, er hatte sie bereits untergehakt und zog sie am Arm in eine hintere Ecke des Geschäfts.
Eine violett gewandete, ältere Verkäuferin trat auf mich zu. Ihr graues Haar war modisch kurz, und blaue Augen funkelten mich freundlich an. »Einen guten Tag, mein Name ist Emma Rupert. Was kann ich für Sie tun?«
»Faye McNamara. Wir hatten miteinander telefoniert, Mrs. Rupert. Ich suche ein Brautkleid, Größe S oder M, je nachdem. Nichts in Weiß, eher Elfenbein, naturfarben oder farbig. Nichts übermäßig Pompöses, also ohne Rüschen, Tüll und das ganze dekorative Gedöns«, leierte ich meine Beschreibung wie in den Geschäften und am Telefon zuvor herunter. Und wie zuvor nickte die Verkäuferin verstehend. »Natürlich, ich erinnere mich, Miss McNamara. Bitte folgen Sie mir. Ich habe schon etwas nach Ihren Wünschen vorbereitet.«
Doch anders als in den Geschäften zuvor führte sie mich nicht an langen Kleiderständern vorbei, sondern zu einem Bildschirm. Sie tippte meine Angaben in eine Tastatur, und kurz darauf spuckte
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