Blut Schatten
formte lautlos das Wort Vampir.
Ich deutete ein Nicken an und ließ meine Blicke blitzschnell durch den Raum und dessen Eingang huschen. Dann formten auch meine Lippen die lautlose Frage: Wie viele?
»Ich bin durchweg einzigartig«, klang es da erneut vom Eingang her und Mr. Skurrilität stand betont dekorativ im Türrahmen, als erwarte er stehende Ovationen für seinen Auftritt. Selbstverständlich bekam er sie nicht. Jedenfalls nicht von uns.
»Darf ich annehmen, dass dieser Salon nicht dazu dient, Ihre Speisekammer aufzufüllen?«, fragte ich ruhig und fühlte gleichzeitig nach dem Holzpflock in meiner Hosentasche.
Seine Gesichtszüge entglitten ein wenig, wirkten etwas beleidigt, als er den Raum endgültig betrat. »Madame, ich jage nicht in meinem eigenen Milieu. Insbesondere, wenn es meine persönliche Tarnung darstellt. Doch nun zu Ihnen, Madame. Ich hoffe, Sie werden mir die etwas ungewöhnlichen Umstände verzeihen, die Sie in diese Räumlichkeiten geführt haben. Sie müssen wissen, ich bin Geschäftsmann.«
Na, das mit dem Mann ließ ich mal dahingestellt.
»Das Zahnstocherchen dürfen Sie übrigens stecken lassen, Madame«, säuselte er mir einen Wimpernschlag später direkt ins Ohr. »Ich beiße nicht. Zumindest nicht hier.«
Alle Achtung, der Kerl war für einen Vampir richtig schnell. Während Jason schlagartig aufrecht saß, lächelte ich nur steif. »Das möchte ich Ihnen auch nicht raten. Ich kann bei solchen Dingen nämlich ziemlich giftig werden.«
»Ich habe davon gehört«, flüsterte er. »Und ich halte es für ein Gerücht.«
»Tatsächlich?« Ohne Vorwarnung zog ich den Ärmel meines schwarzen Pullovers zurück und reichte ihm meinen Arm. »Na, dann gutes Gelingen. Ich greife übrigens den Zahnschmelz an.«
»Miss McNamara!«
»Ruhig Blut, Jason. Ich gehe davon aus, dass Mr. Moret seine Handlungen stets im Voraus sehr genau überdenkt.«
»Das, Madame, tue ich in der Tat«, gab er nasal zurück und zupfte beinahe zärtlich den Ärmel über meinen entblößten Unterarm. »Ferner würde die Entscheidung, Ihrem Liebreiz zu erliegen, die Dauer meiner weiteren Existenz empfindlich schmälern.«
»Sind Sie etwa wählerisch, mein lieber Jacques?«, flötete ich, und er lachte. »Ich erlaube mir diese Freiheiten inzwischen, Madame. Ja. An Ihrer Begleitung würde ich durchaus ein wenig knabbern, würde er mich dazu einladen.«
»Was sicher nicht geschehen wird«, murmelte Jason und versah Jacques mit einem Blick, der deutlich machte, was geschehen würde, sollte ihm dieser überkandidelte Vampir auch nur zu nahe treten.
»Genug der Plänkelei, meine Lieben«, wehrte der übertrieben winkend ab, zog einen kleinen Hocker heran und ließ sich neben mir nieder. »Dann geben Sie mir mal ihr entzückendes Patschehändchen, und wir sehen, wie wir diese Ruinen wieder restauriert bekommen.«
»Sie wollen meine Hände maniküren?«
»Überrascht, Verehrteste? Darum sind Sie hier.« Sein geziertes Lächeln entblößte die spitzen, diamantbesetzten Saugzähne. »Haben Sie Bedenken, Sie könnten mehr verlieren als eingerissene Nägel?«
»Jeder Schmerz dieser Dame kostet Sie einen hohen Preis, Sir«, übernahm Jason meine Verteidigung.
»Das höre ich bereits das zweite Mal an diesem Tag«, nuschelte mein neongrüner Nagelstylist.
Das ließ mich aufmerken. »Wer?«
Ertappt lachte er gekünstelt auf. »Ach je, ich habe mich verplappert. So etwas Dummes. Dabei sollte es doch eine Überraschung -« Jasons Hand an seiner Kehle ließ ihn zumindest kurzfristig verstummen, dann krächzte er: »Würden Sie bitte Ihre Finger entfernen? Und Sie, Madame, den Zahnstocher von meiner Brust?«
Wir wechselten einen schnellen Blick, zogen uns jeder etwas zurück, blieben jedoch mit unseren Mitteln in Reichweite.
»Meine Güte!« Theatralisch sprang er auf und wich einen Schritt zurück. »Bei Ihnen beiden merkt man auf sehr eindrucksvolle Weise, wo Ihre Wiegen gestanden haben.«
»Schluss mit diesem affektierten Getue, Mr. Moret!«, fuhr ich ihn an und stand auf. »Ich will die Wahrheit hören.«
Entrüstet schnaufte er, wandte sich ein wenig ab und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ihr Mann sagte mir, dass Sie schwierig sein können, Mrs. McNamara.«
»Mein Mann?«
»Jawohl, Ihr Mann. Allerdings verschwieg er mir, wie schwierig. Hätte ich es gewusst, hätte ich den doppelten Preis verlangt.«
Nun landete meine rechte Hand an seinem Kragen, während meine linke den Pflock abermals auf seine Brust
Weitere Kostenlose Bücher