Blut Schatten
die Stufen hinauf und betrat kurz hinter den Männern den langen Flur im zweiten Stock. Vorsichtig legten sie Darian in der Mitte des Raumes auf dem Teppich ab, und Jason begann, die Kerzen anzuzünden. Derweil stellte ich das Schwert zurück an seinen Platz. Die Zange fiel auf den Boden und ich neben Darian auf die Knie.
Vergessen war mein eigener Schmerz, meine eigene Erschöpfung. Meine Sorge galt nur noch dem Mann vor mir. Während ich ihn betrachtete und meine Hände prüfend über seinen Oberkörper gleiten ließ, tobten zwiespältige Gefühle in mir. Ich war froh, dass er zurück war. Ich war wütend, dass er weggegangen war. Und ich ahnte, dass seine Wiederkehr etwas mit meiner Entführung zu tun hatte.
Ich warf Jason einen ängstlichen Blick zu. Er erwiderte ihn mit der gleichen Intensität, sah dann zu Steven hin, der mit der ausgestreckten Hand einmal über Darians Gesicht strich und die Stirn runzelte. »Er braucht frisches Blut. So schnell wie möglich.« Dabei hob er den Kopf, und sein Blick streifte mich. »Nein, keine Konserve, Faye. Frisch, warm, lebendig.«
Als Jason ohne Zögern seinen Ärmel hochschob, hielt Steven ihn auf. »Wie oft hast du das schon getan, alter Mann? Es wird dich irgendwann verwandeln, und du weißt das. Wir brauchen eine neue Quelle.«
Ohne es zu wollen, schossen mir zum wiederholten Mal an diesem Abend Tränen in die Augen. Stevens Einwand war vollkommen logisch, und auch Jason musste sich dem beugen. Doch wer konnte helfen? Darian schien mehr tot als lebendig. Ich fühlte unter meinen tastenden Händen diese vielen Verwundungen mehr, als ich sie sah. Risse, tiefe Einstiche, lange Schnitte, dazu deutlich fühlbare Rippenbrüche. Alles Verletzungen, die unter normalen Umständen längst regeneriert worden wären. Dagegen waren meine blauen Flecke ein Witz. Das machte mir zusätzliche Angst, denn es zeigte deutlich, wie angeschlagen Darian war. Und ich war außerstande, ihm mein Blut zu geben, es würde ihn umbringen. Hilflos sackte ich zusammen, umklammerte seine leblose Hand und flehte innerlich um ein Wunder.
»Ich werde es tun«, klang es da von der Tür her, und gleichzeitig ruckten unsere Köpfe hoch. Mit verkniffener Miene stand Dad in der Tür, die Hand mit einem Küchentuch umwickelt. Leid stand in seinen Augen, gepaart mit einem trotzigen Ausdruck. Er trat einen Schritt vor, als eine zierliche Hand seine Schulter umfasste.
»Kommt gar nicht infrage, du sturer Kerl!« Ernestine schob ihn resolut beiseite und trat an ihm vorbei. »Entschuldige bitte, aber mit der Verbrennung werde ich diese törichte Tat nicht erlauben. Es ist schlimm genug, dass du dich nicht vernünftig behandeln lässt. Aber du wirst hier nicht den Helden spielen, Duncan McNamara. Nun, wie kann ich helfen, Faye?«
»Erni!«
»Du hast jetzt Pause. Ich weiß schon, was ich mir zumuten kann.«
»Nur ein bisschen beißen«, spielte Steven den Vorgang wölfisch grinsend herunter.
Sie ignorierte seinen Zynismus, ging neben mir in die Knie und drückte mir ein Kühlkissen in die Hand. Dann sah sie Steven an. »Wohin?«
»Er beißt Sie, Ernestine, und nicht Sie ihn.«
Ihr Blick wurde streng. »Für wie blöd hältst du mich, Steven Montgomery?« Ihr Blick wanderte zu Jason. »Was soll ich machen? Kann er überhaupt saugen? Er sieht aus, als läge er im Koma. Da wäre ein Zugang doch sicher sinnvoller.«
»Saugen ist Instinkt«, klärte Steven uns auf und nahm somit auch meine stille Befürchtung. »Sobald frisches Blut seine Lippen benetzt, wird er zubeißen. Er wird dem Strom des Lebens folgen, er kann gar nicht anders.«
»Sind Sie sicher, dass Sie es wollen?«, fragte Jason skeptisch und blickte Ernestine fest an. Als sie nickte, zog er einen Wurfstern unter seinem Ärmel hervor. »Ich werde Sie vorher ritzen müssen. Verzeihen Sie, Ernestine, es wird schmerzen.« Abermals nickte sie und reichte ihm den rechten Arm. Die scharfe Schneide des Sterns berührte bereits ihre Haut, da erklang ein Ruf von der Tür her: »Wartet!«
Kimberly stürmte herein und schob Jasons Hand beiseite. »Diesmal habe ich Dad angerufen und ihm gesagt, was los ist. Ist mir egal, ob du jetzt motzt, Grandpa. Er ist auf dem Weg hierher, er wird in wenigen Minuten ankommen.« Sie sah uns nacheinander gehetzt an. »Er hat gesagt, wir sollen auf ihn warten.«
»Miss Kimberly, sein Leben rinnt uns durch die Finger. Ein wahrer Vampir kann die Zeit überdauern, wenn er austrocknet. Mr. Knight ist diesbezüglich anders
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