Blut Schatten
los. Sofort!«
Nun erst nahm Ahjarvir mich wahr. Die Hand weiterhin in Darians Haar vergraben, sah er zu mir auf, und echtes Erstaunen trat in seinen Blick.
Ich zögerte nicht. Innerlich spürte ich den Befehl zu einer Tat, die ich mir niemals zugetraut hätte. Das Schwert sauste nieder und glitt ohne Widerstand durch seinen Hals. Ein kurzes rötliches Aufflackern der Augen, ein Zittern, das seinen gesamten Körper durchlief, dann kippte sein Kopf zur Seite und fiel in den Sand. Der Griff in Darians Haar löste sich, die Hand fiel leblos herab und riss den Rumpf mit sich, der auf der Seite zum Liegen kam. Kaum aufgekommen, trocknete der Leib binnen Sekunden aus und zerfiel, bis nichts mehr von ihm blieb als dunkler Staub.
Erst jetzt sah Darian mich mit gebrochenen Augen blicklos an. Das Strahlen, das ich vor einigen Tagen in ihm bemerkt hatte, glich nur noch einem müden Glimmen, kurz vor dem Verlöschen. Plötzlich begann er zu schwanken und kippte langsam nach vorn. Hastig warf ich das Katana beiseite, fiel auf die Knie und fing seinen Sturz ab. Schluchzend hielt ich ihn umfangen, suchte fieberhaft nach einem Lebenszeichen. Tränen brannten in meinen Augen, tropften auf sein fahles Gesicht. Immer wieder flüsterte ich seinen Namen, rüttelte an seiner Schulter und strich über seine Wangen, doch mir blieb jedes Lebenszeichen von ihm versagt. Er war tot. Endgültig.
Ahjarvir hatte ihn mir genommen.
Der Sieg über den alten Vampir war bedeutungslos gegen das Loch, das in mein Herz gerissen worden war. Ich fühlte nichts als reinen, gleißenden und alles verzehrenden Schmerz. Jedes andere Gefühl war ausgeblendet. Vor Tränen blind sackte ich über seinem leblosen Körper zusammen und presste ihn an mich. Alles in mir schrie. Kalte Klauen eisigen Entsetzens hatten sich in mein blutendes Herz geschlagen und schienen mir das Leben herauszupressen.
Meine ganze Liebe, mein komplettes Sein hatten ihn nicht bei mir halten können. Was sollte das für ein Preis für die Erfüllung eines Schicksals oder einer Bestimmung sein? Nichts von dem, was hier geschehen war, war fair oder ergab einen Sinn.
Meine Trauer schlug um in Wut, und zornig blickte ich auf. Zuerst erfasste ich Michael, danach die anderen drei Engel. Behutsam ließ ich Darians Körper von meinem Schoß gleiten und erhob mich, den Blick anklagend auf die Engel gerichtet.
»Ihr hättet es verhindern können«, brachte ich voll Bitterkeit hervor, wies auf Darian und trat auf Michael zu. »Du und deine Berufsgenossen hätten es verhindern können. Ihr taucht hier in leuchtender Glorie auf, macht einen auf himmlischen Abgesandten und steht dann in eurer glorreichen Neutralität tatenlos in der Gegend herum, obwohl eure Hilfe gebraucht wurde. Sehr lobenswerte Einstellung, fürwahr.« Jeden Einzelnen von ihnen erfasste mein anklagender Blick, dann holte ich tief Luft und legte so richtig los: »Solange er euch von Nutzen war, habt ihr euch eingemischt, aber jetzt ist sein Job ja getan, richtig? Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen? Was ist das für ein Gott, der seine besten Leute für eine Sache verrecken lässt, die er selbst versaut hat? Das hier ist nicht gerecht, und ihr wisst das ganz genau. Er hat euren Job gemacht, verdammt noch mal!«
»Wir können nichts für ihn tun, Faye«, sprach Michael bedächtig. »Seine Zeit ist gekommen. Er wählte frei -«
»Bullshit!«, fuhr ich ihm wütend ins Wort und verwischte mit dem Handrücken die Tränenbäche auf meinen Wangen, die unaufhaltsam weiterflossen. »Er hatte überhaupt keine Wahl. Ihr habt sie ihm niemals gelassen. Dieser ganze Mist mit der Austreibung – das habt ihr verbockt, Michael. Du hast es damals selbst zugegeben. Ihr habt ihn benutzt, immer. Also bewegt gefälligst eure gefiederten Ärsche und sorgt dafür, dass er sein Kind erleben darf! Das seid ihr ihm schuldig. Ihr seid es seinem Kind schuldig. Verdammt! Ihm erst die Möglichkeit zu geben und dann wieder wegzunehmen ist niederträchtig.«
Mit den letzten Worten war auch meine Wut verpufft. Ich bekam kaum noch Luft, musste mich zum Atmen regelrecht zwingen. Gleichzeitig spürte ich, wie mein Kreislauf allmählich versagte, mir leicht schwindlig und übel wurde. Kraftlos wandte ich mich ab, sank wieder neben Darian auf die Knie und zog ihn abermals auf meinen Schoß. Sanft strich ich ihm das wirre, blutverschmierte Haar aus dem Gesicht, wiegte ihn wie ein Baby. Geh nicht weg. Lass mich nicht allein. Lass uns nicht
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