Blut Schatten
Schwert abwehrbereit hochriss und rechtzeitig beiseitesprang, erwischten die zuschlagenden Krallen seinen Oberkörper und rissen tiefe Furchen ins Fleisch. Tiefrotes Blut durchtränkte das zerfetzte Hemd, rann in schmalen Bächen an seiner Hose herunter und tropfte auf den Boden. Mit ungläubigem Ausdruck in den Augen taumelte Darian einige Schritte zurück.
Nur Liliths schwere Hand auf meiner Schulter bewahrte mich davor, kopflos ins Geschehen zu stürzen. Entsetzt riss ich die Augen auf. Oh mein Gott! Auch wenn ich wusste, was Darian alles einstecken konnte, so hatte dieser Schlag gesessen. Instinktiv fuhr meine rechte Hand an meine Lippen, und ich hielt den Atem an. Mein Herz blutete innerlich so stark wie seine äußerlichen Wunden, und für einen Moment wandte ich meine Augen schmerzerfüllt von diesem Anblick ab. Doch nicht für lange. Schon vernahm ich einen zischenden Laut und sah wie unter Zwang dem Geschehen wieder zu.
Angstvoll sah ich Ahjarvir erneut ausholen. Diesmal war Darian gewappnet. Blitzschnell wehrte er den Schlag mit dem Schwert ab. Doch der Ältere stob herum, tauchte direkt hinter ihm auf und packte ihn im Genick. Statt des befürchteten charakteristischen Knackens vernahm ich ein wütendes Fauchen, dem ein schmerzerfülltes Zischen folgte. Da erst sah ich das Schwert tief in Ahjarvirs Brust stecken und aus seinem Rücken wieder herausragen. Nahezu bewegungslos kniete Darian mit dem Rücken zu seinem Gegner und hielt weiterhin den Griff des Katana zwischen den Händen. Mit einem einzigen Rück riss er es wieder heraus und stieß den Alten dabei zurück. In einer einzigen, fließenden Bewegung erhob er sich und wandte sich um, und völlig emotionslos betrachtete er den Zurücktaumelnden, dessen Blick pure Überraschung widerspiegelte.
»Ich habe dich unterschätzt, Dahad«, murmelte Ahjarvir, nahm die Hände von der klaffenden Wunde und demonstrierte auf eindrucksvolle Weise seine Regenerationsfähigkeit. Binnen Sekunden stoppte die Blutung und schloss sich die Wunde, bis nur noch eine schmale rosafarbene Narbe übrig blieb. Mit unheilvollem Grinsen entblößte der Alte seine langen, scharfen Reißzähne. »Das wird mir nicht noch einmal passieren.«
Darian nickte nur, wirkte gefasst und ernst. Trotzdem fiel mir auf, dass er mit dem Schließen seiner Wunden erheblich mehr Probleme hatte, sich sehr konzentrieren musste. Lag es an seiner kürzlichen Veränderung? Raubte ihm das die Kraft? Aus Ahjarvirs frohlockender Mimik schloss ich, dass es ihm ebenfalls nicht entgangen war.
Lauernd begannen sie einander zu umkreisen. Zwar bewegten sich beide Männer mit der Geschmeidigkeit von Raubkatzen, doch wirkten Darians Bewegungen langsamer und irgendwie schwerer, ein wenig unsicherer. Und seine Wunden waren noch immer nicht ganz geschlossen, auch wenn die Blutung versiegt war. Ein unbehagliches Gefühl stieg in mir hoch, das sich als angstvoller Knoten in meinem Magen zusammenzog und weiter hinaufkroch, um mein Herz zu martern und meinen Hals zu verschließen.
Panisch sah ich mich um. Da standen vier Engel, die weiterhin regungslos das Geschehen beobachteten. Sie taten nichts, krümmten nicht eine einzige lichte Tentakel. Sie mussten doch auch sehen, dass Darian seinem Gegner unterlegen war. Warum griffen sie nicht ein? Warum unternahm Michael denn nichts, um Darian zu helfen?
Weil wir ohne Erlaubnis handeln würden, hörte ich die leise Antwort in meinem Kopf. Es ist seine freie Entscheidung und sein selbst gewähltes Schicksal, sich ihm zu stellen. Diese Entscheidung würden wir durch unser Eingreifen infrage stellen. Er wird sterben, Michael. Voll Angst blickte ich in die Richtung des Engels, beschwor ihn mit meinen Blicken.
Diese Möglichkeit besteht, antwortete er ausweichend. Täuschte es, oder schwang eine Spur von Sorge darin? Ich keuchte ängstlich auf.
Als hätte Darian meine Gefühle empfangen, sah er zu mir herüber. Für einen winzigen Moment transportierte sein Blick all seine Empfindungen. Ein elektrischer Schauer jagte wie ein Strudel durch mich hindurch, sammelte sich und verblieb als warmer Druck in meinem Herzen. Instinktiv schloss ich die Augen und legte eine Hand auf mein Herz, wollte dieses Gefühl ganz für mich behalten und niemals wieder loslassen. Gleichzeitig verhinderte ich so, dass er die aufsteigenden Tränen in meinen Augen erkennen konnte. Um nichts in der Welt wollte ich ihm zeigen, wie viel Angst ich wirklich um ihn hatte.
»Bemerkenswert«, hörte ich Liliths
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