Blut Schatten
mal, bist du nebenberuflich Dompteur?«
»Nein.« Darian hatte sich wieder neben mir auf dem Stuhl niedergelassen. Auffordernd klopfte er auf seine Schenkel, und als wäre es das Normalste der Welt, sprang der Kater hinauf, rollte sich zusammen und ließ sich kraulen. »Allerdings wissen Tiere sehr genau, wen sie vor sich haben.«
»Super, echt.« Das Tier im Auge behaltend, setzte Steven sich vorsichtig zurück auf seinen Stuhl. »Dann hält er mich für einen Kratzbaum?«
»Eher für einen Konkurrenten«, klang es da im tiefsten Bariton von der Tür her.
»Daddy!« Kimberly fuhr herum, durchquerte die Küche mit wenigen Schritten und sprang den in der Tür stehenden Riesen im verschmierten Blaumann regelrecht an. Blitzschnell packte er zu und drückte seine Tochter an sich.
Ich war aufgesprungen, stand nun mitten in der Küche und starrte meinen Bruder an. So hätte ich ihn nie erkannt. Er war wesentlich breiter, als ich ihn in Erinnerung hatte, und auch größer; er füllte fast den gesamten Türrahmen aus. Seine rostrote Lockenpracht war schulterlang, und seitlich von seinem Gesicht hingen zwei dünne, geflochtene Zöpfe herab. Sein wettergegerbtes und gebräuntes Gesicht ließ erahnen, dass er sich viel im Freien aufhielt. Und in seinen grünen Augen lag ein Ausdruck, den ich nicht zu deuten vermochte. Lauernd? Abwartend? Drohend? Eine Mischung daraus?
»Du bist verdammt hübsch geworden, Faye«, begrüßte er mich schließlich, trat auf mich zu und blieb direkt vor mir stehen. Er sah auf mich herab, machte jedoch keinerlei Anstalten, mich zu berühren.
»Und du bist verdammt breit geworden«, entgegnete ich ruhiger, als ich mich fühlte. Ich blieb weiterhin bewegungslos stehen und sah ihn unumwunden an.
Da hob er eine Hand, legte sie an meine Wange und küsste mich auf die Stirn. »Schön, dass du da bist.«
Damit wandte er sich um und nahm die restlichen Anwesenden in Augenschein. Darian war aufgestanden, hatte den Kater abgesetzt und reichte Alistair die Hand. Dabei ignorierte er Breezes protestierendes Mauzen. »Darian Knight. Wir haben -«
»- telefonisch bereits das Vergnügen gehabt«, unterbrach Alistair ihn und nickte. Ohne die Hand zu ergreifen, blickte er Darian reserviert an. »Mein Vater war so frei, mich in den letzten Stunden über Sie zu informieren.«
»Anscheinend handelte es sich dabei nicht um die Informationen, die Sie gern gehabt hätten.« Darian lächelte verstehend und senkte die Hand. »Nichts ist so, wie es anfangs scheint.«
»Allerdings.«
Die beiden Männer waren fast gleich groß, hatten beinahe die gleiche Statur und das gleiche Gewicht. Und sie strahlten beide eine enorme Energie aus, wobei die meines Bruders wilder wirkte, Darians hingegen weiser und ruhiger, aber nicht weniger kraftvoll. Mir kam es vor, als träfen hier zwei Naturgewalten aufeinander, taxierten sich gegenseitig und versuchten die Schwäche des anderen ausfindig zu machen. Es lag eine Spannung im Raum, die niemand zu durchbrechen wagte.
Niemand? Wo war mein Vater, wenn man ihn brauchte? Demnach war es an mir, einzugreifen. Denn hier fixierten sich zwei Männer, die mir gleich wichtig waren, und ich war nicht gewillt, vor eine Entscheidung gestellt zu werden.
»Falls ihr zwei hier das Alphatierchen ausmachen wollt, dann bitte draußen«, sagte ich in entsprechend autoritärem Ton. »Ansonsten kann ich nur an eure Vernunft appellieren, gewisse Zwi-stigkeiten auf friedvolle Weise beizulegen. Zumal auch Unbeteiligte anwesend sind.«
Alistairs Blick streifte mich, dann sah er sehr langsam zu Steven hinüber. »Unbeteiligt, Schwester?«
»Wisst ihr was?« Steven sprang auf und sah sich genervt um. »Ich habe es satt, immer wieder zur Zielscheibe für eure menschlich hormonell bedingten Rangeleien zu werden. Ich wurde damals ja auch nicht gefragt, ob ich ein Snack sein wollte. Wenn ich störe, dann gehe ich eben.«
Er wandte sich zur Tür, als Kimberly direkt vor ihn trat und ihn aufhielt: »Bist du wirklich domestiziert? Is' ja cool.«
»Lass ihn gehen.«
»Warum, Daddy? Er könnte ...«
»Oh nein.« Steven schob sie beiseite. »Ich werde nicht den Probanden für irgendwelche Experimente an mir abgeben. Vergiss es. Ich habe auch ein gewisses Maß an Stolz. Abgesehen davon: Ja, ich bin geimpft, entwurmt und stubenrein. Sonst noch Fragen?«
»Du bleibst, Steven.« Diese klaren Worte stammten eindeutig von Darian und ließen den Angesprochenen mitten in der Bewegung verharren. »Wenn jemand geht,
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