Blut Schatten
Poloshirt und dem dunkelgrünen, knielangen Rock trug. Die weißen Kniestrümpfe mit den dunklen Slippern hätten das Gesamtbild harmonisch abgerundet, wäre da nicht ihre knallrote, in alle Richtungen abstehende Haarpracht gewesen.
»So schlimm ist es doch gar nicht«, versuchte ich sie zu trösten. Es ging gänzlich schief.
»Du musst diesen omahaften Mist ja auch nicht tragen.« Angesäuert marschierte sie in die Küche.
Während wir den Tisch deckten, trank Kim den Orangensaft direkt aus der Flasche, langte nach einer Scheibe Sandwich-Toast und machte sich mit ihrer Tasche unterm Arm auf den Weg zur Schule.
Steven hatte sich, wie am Tag zuvor, in Kimberlys Zimmer zurückgezogen, daher waren wir nur zu fünft in der Küche. Der Tisch war gedeckt, wir setzten uns. Da polterte es gewaltig im Flur, ein Schrei erklang, gefolgt von einem zornigen Fauchen. Wir sprangen gleichzeitig auf.
Alistair war zuerst aus der Küche, Darian folgte. Eine Tür flog auf, ein bepelztes Flugobjekt mit langen Klauen und blitzenden Zähnen segelte auf den Gang hinaus, fand Halt und raste mit durchdrehenden Pfoten zurück in den Raum. Kampfgeräusche erklangen. Ein weiteres Fauchen, diesmal schoss Steven auf den Gang, warf die Tür hinter sich zu und lehnte sich dagegen.
»Probleme?«, erkundigte Alistair sich freundlich.
Erst jetzt bemerkte Steven sein Publikum und versuchte sich an einem unschuldigen Lächeln. »Probleme? Ich? Nein, wie kommst du darauf?«
Ein energisches Kratzen auf der Innenseite der Tür erübrigte weitere Worte. Alistairs Blick wurde fragender, Steven seufzte. »Na ja, wenn, dann nur ein kleines.«
»Du besetzt seine Schlafstatt«, meinte Alistair und verschwand kurz in der Küche, um mit einer Scheibe Wurst zurückzukehren. »Wenn du deine Feinde nicht besiegen kannst, versuch es mit Freundschaft. In diesen Fall hilft Bestechung.«
»Hüte dich vor Fremden mit Geschenken«, murmelte Jason, als Steven mit der Wurstscheibe in der Hand vorsichtig die Tür erneut öffnete. Eine Pranke schoss aus dem Raum hervor, die Wurst verschwand. Ruhe trat ein. Dann vernahmen wir ein lautes Schmatzen.
Mit siegesgewisser Miene trat Steven in den Raum und schloss die Tür hinter sich. Wir warteten einen Moment, ehe wir zurück in die Küche gingen. Es dauerte nicht lange, da stand Steven mit zerknirschter Miene erneut im Flur. »Ist noch etwas von der Wurst übrig?«
Alistair gab ihm zur Sicherheit die komplette Packung. Nachdem Steven die Küche verlassen hatte, um sein Glück erneut zu versuchen, stellte ich die Frage, die mich schon länger beschäftigte: »Wenn man von Macht spricht, wessen Wort hat die größte Bedeutung?«
»Das Wort Gottes«, ließ Jason zwischen einem Bissen ins Croissant und einem Schluck Earl Grey fallen. »Zumindest ist es das, was mir als Erstes in den Sinn kommt.«
Mein Blick blieb an Darian hängen, der scheinbar teilnahmslos an seinem Strohhalm saugte. Er sah mich kurz an, dann wieder hinaus aus dem Fenster. »Wir werden heute wohl etwas Regen bekommen.«
Was verbirgst du vor mir, Darian ?, schickte ich ihm gedanklich rüber, erhielt jedoch noch nicht einmal das Zucken einer Wimper.
»Interessierst du dich plötzlich für die Bibel, Faye?«
»Nicht direkt, Alistair, eher für deren Gegenteil. Wie weit seid ihr mit dem Puzzeln der Seiten vorangekommen?«
Volltreffer. Darians Aufmerksamkeit war mir sicher. »Du wirst es nicht lesen können, Faye.«
»Ich sicher nicht«, konterte ich. »Aber du. Und du kannst es für mich übersetzen.«
»Wonach genau suchst du, Faye?«, schaltete Alistair sich erneut ein.
Da sich die Worte der Frau in mein Gedächtnis regelrecht eingebrannt hatten, war es mir ein Leichtes, sie wiederzugeben: »Wenn bald der Mond erwacht, wenn dann das Wort gebracht, wird das gehoben, was lange verborgen. Kannst du damit etwas anfangen?«
»Klingt wie eine Weissagung, Kind. Hängt vielleicht mit der alten Prophezeiung zusammen, die angeblich im Noctis Mortem niedergeschrieben wurde. Ein Durchsehen kann sich durchaus lohnen. Du könntest natürlich warten, bis Ernestine da ist. Sie kann ihre Karten befragen«, meinte Dad und langte nach der Kaffeekanne.
Genau das Buch hatte ich im Sinn gehabt. Aber es war gut, dass Dad es zusätzlich erwähnte. Ich sah in Darians Augen, dass es ihm missfiel. Ich hielt seinem Blick stand, schüttelte kaum merklich den Kopf.
»Also gut«, räumt er schließlich ein und erhob sich. »Komm. Je eher wir es hinter uns haben, desto eher
Weitere Kostenlose Bücher