Blut Schatten

gibst du Ruhe.«
    »Keine weiteren Ausflüchte?«
    »Habe ich eine Wahl?«
    Ich lächelte breit. »Nein.«
    W arum wolltest du mir den Inhalt verheimlichen, Darian?« Skeptisch blickte ich auf die einzelnen Blätter, die mir schon auf diese Entfernung leichte Übelkeit verursachten.
    »Solange ein Schicksal in Dunkelheit verbleibt, besteht immer eine Wahl. Wird es jedoch offenbar, ist eine Wahl nur scheinbar vorhanden. Das ganze Streben und Denken dreht sich um diese Offenbarungen, die genau dadurch zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen werden.« Er sah mich ernst an. »Hättest du den Hinweis gestern Abend nicht erhalten, wäre die Frage danach niemals gestellt worden.«
    »Und du hättest die Wahl gehabt, es mir weiterhin zu verheimlichen oder zu offenbaren«, ergänzte ich verstehend. »Nun gut, hat sich jetzt erledigt. Ich will auch den Rest erfahren.«
    Ohne weitere Worte drückte Darian mir seine Notizen in die Hand. Was ich da las, klang bald wie eine veränderte Fassung der Apokalypse.
    Da tritt ein Hunger ein, verbreitet unter den Verlorenen, und lässt sie aufstehen gegen jene, die Verdammten, war in Darians schwungvoller Handschrift zu lesen. Es werden Zeichen am Himmel stehen, auf dass sie sehen werden die, welche im Zeichen des Mondes sich erhebt. Der Wolf wird auferstehen, die Krähen bringen Kunde, die Zeit bricht an. Und erblinden werden sie im blutenden Mond. Achtet auf die Zeichen, sie werden kommen.
    Horcht der Ahnen schweren Gang, sie werden kommen über all jene, die der Väter Sünden folgten, auf dass gesprochen wird das gerechte Wort.
    Achtet auf die im Mond Geborenen, gezeichnet von Verrat und Hass.
    So achtet auf den lautlosen Ruf, der durchdringt das Schweigen und bringt ins Dunkel das, was einst verborgen war.
    Und die Mutter wird weinen und tränken die Erde mit blutigen Tränen. Und der Vater wird zürnen und zu Felde ziehen, zu büßen der Seelenlosen Tod. So die Hölle wird ihre Schleusen öffnen, auf dass deren Horden durchstreifen mordend das Land. Ohne Gnade, ohne Mitleid, ohne Leben.
    Es waren nur Fragmente übersetzt. Durcheinander, nichts wirklich Zusammenhängendes.
    Blutgetränkte Ebenen er hat durchwandert einst mit unruhig' Geist. Sie werden getaucht sein in Vergessenheit durch des Engels Tod. Und es wird Asche regnen und sein Angesicht verdecken. Sodann wird finden seine Geduld ein Ende und fahren im Hass gen Himmel auf bis dass Erlösung durch der Würde Hände er erfährt. Auf dass des Geistes Irrfahrt auf der Sühne Berg Einhalt finden werde.
    Alles mochte irgendwie einen Sinn ergeben, wenngleich es sehr kryptisch klang. Es deckte sich mit dem Wenigen, was uns bereits zugetragen worden war. Ich blickte auf, sah Darian an, aber er zuckte nichtssagend mit den Achseln.
    »Fündig geworden?«, kam es von der Tür her, und mein Vater trat ein. Er war frisch geduscht und sogar rasiert. Das Gestrüpp in seinem Gesicht war gebändigt worden, und ich roch sein Aftershave bis hierher. Zudem trug er eine dunkelblaue Bügelfaltenhose mit einem passenden Hemd und – ich glaubte es kaum – eine farblich perfekt abgestimmte Krawatte. Ernestine, was stellen Sie mit meinem Vater an?
    »Teilweise«, gab ich nach Überwindung meiner Überraschung zurück und übergab ihm Darians Notizen. Er überflog sie, runzelte die Stirn und reichte sie schließlich an Darian weiter. »Wie viel davon entspricht der Realität?«
    »Der möglichen Realität, Duncan. Es könnte alles zutreffen oder auch nichts. Ich bin bei solchen Offenbarungen verdammt vorsichtig geworden.«
    »Trotzdem hast du sie übersetzt«, meinte Dad nachdenklich.
    »Ich ziehe alles in Erwägung, damit bin ich vor unliebsamen Überraschungen gefeit.«
    »Sofern bei diesen schwammigen Aussagen überhaupt irgendwelche Vorbereitungen möglich sind.« Mein Vater wies abermals auf die Notizen. »Hast du mehr davon?«
    »Es gestaltet sich schwieriger als erwartet, Duncan. Die alten Sprachen haben oft eine vollkommen andere Bedeutung als die, die wir heute nutzen. Auf der anderen Seite halte ich die bisherigen Übersetzungen für aussagekräftig genug, um ein Bild von den möglichen Geschehnissen zu erhalten.«
    »Sie hätten der Fairness halber ein Datum angeben können«, murmelte ich, während ich mich aus meiner hockenden Haltung erhob. »Dann hätte ich für den Zeitraum First Class auf den Malediven gebucht.«
    »Niemand kann vor seiner Bestimmung davonlaufen«, erklang Alistairs Stimme, und kurz darauf stand er neben mir und