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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Zu ihr durchdringen, unter all dem Fett. Aber mir fiel überhaupt nichts ein.
    Daher sagte ich nur: »Ich muss gehen. Wir müssen noch ein Set spielen.«
    »Natürlich«, sagte sie leise. »Natürlich, das müssen Sie … sonst fangen sie an, über Sie zu lachen. Aber warum ich gekommen bin – würden Sie ›Roses of Picardy‹ für mich spielen? Ich fand, Sie haben es beim Empfang sehr hübsch gespielt. Würden Sie das tun?«
    »Klar«, sagte ich. »Mit Vergnügen.«
    Und wir spielten es. Aber sie ging mitten im Stück, und da es für einen Schuppen wie den von Englander ein bisschen zu schmalzig ist, hörten wir auf und leiteten in eine Ragtime-Version von »The Varsity Drag« über. Das riss sie immer mit. Ich trank den Rest des Abends zu viel, und als die Sperrstunde kam, hatte ich sie vergessen. Na ja, fast.
    Als ich an diesem Abend ging, fiel es mir ein. Was ich ihr hätte sagen sollen. Das Leben geht weiter – das hätte ich ihr sagen sollen. Das sagt man zu den Leuten, wenn ein Nahestehender gestorben ist. Aber wenn ich zurückdenke, bin ich froh, dass ich es nicht gesagt habe. Denn vielleicht hatte sie davor Angst gehabt.
     
    Heute kennt selbstverständlich jeder Maureen Romano und ihren Mann Rico, der sie als Gast der Steuerzahler in der Haftanstalt des Staates Illinois überlebt hat. Wie sie Scollays kleine Organisation übernommen und ein Prohibitionsimperium daraus gemacht hat, das dem von Capone Konkurrenz machen konnte. Wie sie zwei weitere Gangster der North Side umgelegt und deren Organisationen geschluckt hat. Wie sie den Griechen zu sich bringen ließ und ihn gerüchteweise selbst tötete, indem sie ihm eine Klaviersaite durchs linke Auge ins Gehirn stieß, während er vor ihr kniete und stammelte und um sein Leben flehte. Rico, der bestürzte Kammerdiener, wurde ihr Erster Offizier und war selbst für ein Dutzend Bandenkriege verantwortlich.
    Ich verfolgte Maureens Aufstieg von der Westküste aus, wo wir ein paar ziemlich erfolgreiche Schallplatten aufgenommen haben. Aber ohne Billy-Boy. Er gründete, kurz nachdem wir bei Englander aufgehört hatten, seine eigene Band, eine rein schwarze Combo, die Dixieland und Ragtime spielte. Es ging ihnen ziemlich gut unten im Süden, und das freute mich für sie. Und so war es auch gut. Eine Menge Schuppen hätten uns mit einem Neger in der Gruppe überhaupt nicht auftreten lassen.
    Aber ich wollte Ihnen von Maureen erzählen. Sie sorgte prima für Schlagzeilen, und nicht nur, weil sie eine Art Ma Barker mit Grips war, obwohl das auch eine Rolle spielte. Sie war schrecklich dick, und sie war schrecklich böse, und Amerikaner von Küste zu Küste verspürten eine seltsame Zuneigung für sie. Als sie 1933 an einem Herzanfall starb, stand in einigen Zeitungen, dass sie fünfhundert Pfund gewogen haben soll. Aber das bezweifle ich. Niemand wird so fett, oder?
    Wie auch immer, ihre Beerdigung stand auf den Titelseiten. Das war mehr, als man von ihrem Bruder sagen konnte, der in seiner ganzen kläglichen Laufbahn nie über Seite vier hinausgekommen war. Zehn Mann waren erforderlich, ihren Sarg zu tragen. In einem Regenbogenblatt war ein Foto abgebildet, wie sie ihn schleppten. Es war ein grässliches Bild. Ihr Sarg war so groß wie eine Fleischtruhe  – was er in gewisser Weise ja auch war.
    Rico selbst war nicht schlau genug, alles zusammenzuhalten, er wurde schon ein Jahr darauf wegen Überfall mit Tötungsabsicht festgenommen.
    Sie ist mir nie aus dem Kopf gegangen, ebenso wenig die gequälte Art, wie Scollay mich angesehen hatte, als wir uns am ersten Abend über sie unterhielten – wie ein geprügelter Hund. Aber wenn ich zurückblicke, tut sie mir auch nicht leid. Dicke Menschen können immer aufhören zu essen. Typen wie Billy-Boy Williams können nur aufhören zu atmen. Ich weiß immer noch nicht, wie ich einem von beiden hätte helfen können, aber ab und zu fühle ich mich trotzdem mies. Wahrscheinlich nur, weil ich viel älter geworden bin und nicht mehr so gut schlafe wie als junger Mann. Das ist alles, oder?
    Oder?

Paranoid: Ein Gesang
    Ich kann nicht mehr hinausgehen.
    Vor der Tür lauert ein Mann.
    Im Regenmantel,
    Der eine Zigarette raucht.
     
    Aber
     
    Ich beschreibe ihn in meinem Tagebuch.
    Und die Briefcouverts sind säuberlich aufgereiht
    Auf dem Bett, blutrot im Schein
    Der Neonreklame der Bar nebenan.
     
    Er weiß, wenn ich sterbe
    (Oder nur von der Bildfläche verschwinde)
    Wird das Tagebuch abgeschickt und jeder weiß
    Dass der

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