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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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beständige Knacken und Schaben der Wurzeln hinter ihm in der Mulde. Es jagte ihm eine Gänsehaut über den Nacken.
    Mit einem lauten Fluch stampfte der Rabe auf den Waldboden. Er hatte Natalja und ihren Entführer aus den Augen verloren. Sie waren einfach von der Bildfläche verschwunden.
    »Scheiße!« entfuhr es ihm.
    Wie konnte ihm das nur passieren? In seiner ganzen Laufbahn hatte er nicht so oft gepatzt wie in den letzten Tagen. Dieses verfluchte Kloster! Diese verdammten Mönche!
    Mit versteinerter Miene drehte sich Alexander zurück zu den sich immer noch windenden Wurzeln, die wie ein monströser Haufen fetter, dunkler Maden in der Senke herumwabbelten.
    Ihm wurde klar, dass er mittlerweile tot wäre, hätte er sich nicht rechtzeitig daraus befreit. Ohne seine Ausrüstung wäre er nun entweder erstickt oder erwürgt! Erdrosselt von lebendig gewordenen Wurzeln! Sein Bauchgefühl hatte ihn mal wieder gerettet.
    »Wegen Euch sind sie mir entkommen!« knurrte er hasserfüllt.
    Seine Hand wanderte ganz automatisch zu seinem Gürtel. Seine Finger lösten eine Lederschlaufe. Dann hielt er ein geriffeltes Metalloval in Händen. Das Gewicht war ihm vertraut. Seine Knöchel traten weiß hervor.
    »Was auch immer Ihr seid, verdammt sollt Ihr sein!«
    Mit diesen Worten zog Alexander den Ring der Granate.
    ***
    Ein kurzes, entferntes Donnern aus Richtung des Waldes ließ Erik herumfahren. Die abrupte Bewegung wurde mit einer Welle von Übelkeit begleitet, die sich in seiner Speiseröhre nach oben quälte. Mit verzerrtem Gesicht schluckte Erik den bitteren Geschmack auf seiner Zunge wieder hinunter, doch ein ekliger, schleimiger Rest blieb darauf haften.
    Sein Blick war konzentriert auf den Wald gerichtet. Was war das gerade gewesen? Es hatte sich nicht nach einem Gewittergrollen angehört, sondern mechanisch, irgendwie bekannt aus dem Fernsehen. Eine Explosion? Was zum Teufel geschah dort?
    »Ruf Doktor«, hörte er hinter sich einen der beiden Männer nuscheln.
    Erik drehte sich wieder zurück, vorsichtiger dieses Mal, um nicht erneut Magenflüssigkeit hoch zu würgen.
    »Keinen Arzt!« sagte er zum wiederholten Male. Er versuchte, so viel Befehlston hineinzulegen, wie ihm möglich war, doch seine Stimme klang brüchig und wenig überzeugend. Seine Stimme, sein mächtigstes Werkzeug, versagte ihm gerade jetzt den Dienst. Die beiden Retter sahen das wohl genauso.
    »Verletzt!« bellte der eine und deutete mit seinem Finger auf Eriks Brust. »Blut! Dein Kreuz schief! Dein Gesicht weiß! Du brauchst Doktor!« Der Mann nickte entschieden und wand sich erneut an seinen Begleiter. »Ruf Doktor!«
    »Bitte, mir geht es gut. Wegen mir muss kein Arzt extra hierher kommen. Ich fahre selbst ins Krankenhaus, sobald mein Freund mit seiner Schwester wieder da ist. Er kann mich fahren!«
    Skeptisch wölbten sich die massigen Augenbrauen des Türken nach vorne. Zumindest vermutete Erik, dass er einen vor sich hatte: Pechschwarze Haare, dunkler Teint, kantige Gesichtszüge und eine Bartrasur, wie sie ein Deutscher kaum rasieren könnte.
    »Wo sind sie gegangen?« fragte er.
    Erik seufzte tief und deutete auf den Wald in seinem Rücken.
    »In Wald?« In das Gesicht des Türken mischte sich deutlicher Argwohn. »Du reden Scheiße! Chris! Mann verwirrt. Ruf Doktor!«
    Erik rang hilflos mit den Händen. Wie sollte er die beiden auch überzeugen, keinen Arzt zu rufen? Es war gegen jede Vernunft. Jeder würde in dieser Situation die Notrufnummer wählen. Ihn überraschte es sowieso, dass von der Campingplatzverwaltung noch keiner da war oder überhaupt andere Gäste. Das Bersten des Astes und des Wohnwagens mussten doch mehr Leute gehört haben, als diese beiden Camper. Aber wahrscheinlich verkrochen sich alle hinter ihren laut dudelnden Fernsehern; nur ja nicht auffallen, es könnte ja Ärger und Arbeit bedeuten.
    Das Knacken von Zweigen in seinem Rücken ließ Erik aufhorchen. Er spähte über die Schulter in die Dunkelheit. Die einsame Gestalt eines Mannes schälte sich zwischen Blättern und abgebrochenen Stümpfen hervor.
    Eriks Herz setzte für einen Moment aus, dann begann es wie wild an seinen Rippen zu rütteln.
    Der Mann war allein! Das konnte nur das Schlimmste bedeuten.
    Alexander trat in jenem Moment aus den Schatten ins zarte Licht der entfernten Weglaterne. Er humpelte leicht. Als Erik in das Gesicht des Russen blickte, stockte ihm auch noch der Atem.
    Alexanders Gesichtszüge wirkten erstarrt, wie eingemeißelt in sein blasses

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