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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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Augen vor. »Erzählt mir ganz genau, wie die Tafel aussah. Beschreibt mir jede Einzelheit!«
    »Sie war von derselben Größe wie diese hier.« Ruben berührte den äußeren Rand, in den die Pietra-Dura-Motive eingearbeitet waren. »Ich würde sogar sagen, dass die Ornamente sich bis ins kleinste Detail glichen. Ser Mazzei beschreibt, wie die Tafeln in da Pescias Florentiner Werkstatt begonnen wurden. Bei der guten Auftragslage durch die Medici kann man davon ausgehen, dass da Pescia einen großen Mitarbeiterstab hatte, der die Schablonen für die Tafeln problemlos in vierfacher Ausfertigung herstellte. Das Bild des Zodiakus in der Tafelmitte war in Stuckmarmor erstellt, und wenn ich die Arbeit hier sehe, denke ich, es war derselbe Meister.«
    »Nicht da Pescia?«, fragte Marie und bewunderte die leuchtenden Farben des Scagliola-Bilds, dessen Oberfläche sich anders anfühlte als die der geschnittenen Edelsteine. Die glatten Steinscheiben, die ausgeschnitten und aufgeklebt wurden, waren kühl, während sich der Kunstmarmor weicher und auf unbestimmte Art wärmer anfühlte.
    »Da Pescia war stolz auf seine Handwerkskunst und hat Gipser als Hilfsarbeiter betrachtet. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Fragtet Ihr die Castruccis nach den Scagliola-Arbeiten der Fistulators, bekämet Ihr nur ein müdes Achselzucken zur Antwort«, antwortete Ruben.
    »Aber der Herzog ist doch so stolz auf seine Scagliola-Künstler?«, wunderte sich Marie.
    »Kunstmarmor dieser Qualität ist selten und wesentlich günstiger in der Herstellung als richtiger Marmor. Und publikumswirksam präsentiert, macht es doch viel her! Da ist der Herzog ein Fuchs. Aber zum Zodiakus. Ein einprägsames Bild, weil es recht simpel gehalten ist: Im äußeren Kreis werden in zwölf Feldern die Tierkreiszeichen dargestellt, in der Mitte sitzt eine Frau, und neben dem Bild des Löwen ist eine Sonnenscheibe zu sehen.«
    »Waren die Beine der Frau geöffnet, und floss da möglicherweise etwas aus ihrem Körper?«, fragte Remigius.
    Nach kurzem Nachdenken nickte Ruben. »Ja, ich hielt es für Erde, aber es könnte so sein, wie Ihr sagt.«
    »Ein symbolisches Bild aus der Alchemie. Was der Frau aus dem Leib fließt, ist das Fruchtwasser nach der neunmonatigen Entwicklung des Kindes im Mutterleib. Nach Ansicht der Alchemisten hängt alles zusammen, ist jedes Element, jede lebende Form auf eine spezifische Weise miteinander, mit dem Ganzen verwoben«, dozierte Remigius. »Erinnert Ihr Euch, Marie, was ich über die Metalle gesagt habe? Sie sind komprimierte Planetenkräfte, und sie müssen zwölf Pforten durchschreiten, was den zwölf Monaten des Tierkreises entspricht, bis sie sich der Macht des Zodiaks entziehen können und ihre Rötung erreichen. Wo habe ich das gelesen?«
    Suchend glitt Remigius’ Blick durch den Raum und blieb an einem Bücherregal über der Tür hängen. »Da oben! Das dritte von links!«
    Ruben holte ein zerlesenes Buch, dessen Einband stark beschädigt war, vom Regal, blies den Staub herunter und gab es dem alten Mann. Liebevoll strich Remigius über das brüchige Leder. »›Medulla alchemiae‹ ist der Titel von George Ripleys lateinischem Werk, das er in den siebziger Jahren des vorvergangenen Jahrhunderts verfasst hat. Soweit ich weiß, war Ripley ein englischer Augustinermönch und Alchemist, der durch Frankreich, Deutschland und Italien reiste und von sich behauptet hat, das Geheimnis der Metallveredelung erfahren zu haben.«
    »Ihr meint, er will gewusst haben, wie man Gold macht?« Ruben wirkte skeptisch.
    »Jedenfalls hat er sich gut verkauft, und viele Herrscher glaubten, dass er das Geheimnis des Lapis philosophorum kannte.« Konzentriert blätterte Remigius die dicken Seiten um, die teilweise aneinanderklebten. »König Eduard IV. gehörte zu seinen Bewunderern, und man sagt, dass Ripley den Johanniterorden auf Malta besucht und mit enormen Geldsummen unterstützt hat. Ah, hier ist es!« Er drehte das aufgeschlagene Buch so, dass sie die farbige Tafel sehen konnten.
    »Das ist das Bild, das ich auf der Tafel des Apothekers gesehen habe!«, rief Ruben ungläubig aus.
    »Hmm«, machte Remigius. »Ganz genau oder nur ähnlich?«
    Marie neigte sich vor, um das kleinteilige Bild besser sehen zu können, und errötete. »Liebe Güte! Das ist höchst unschicklich!«
    Umringt von den Tierkreiszeichen saß eine Frau mit entblößtem Unterleib. Was Remigius meinte, war hier im Detail dargestellt, und Marie wandte sich ab.
    Ihr Onkel

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