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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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kratzten, struppigem grauem Fell, in dem sie ihr Gesicht vergraben konnte, und treuen, bernsteinfarbenen Augen.
    Als sie nach einer Weile aufstand und sich über die Wangen wischte, schämte sie sich ihrer Tränen nicht.
    »Herrin«, sagte jemand leise. »Bitte, nicht erschrecken. Ich wollte Euch nicht stören.«
    Nervös fuhr Marie herum und entdeckte Vroni, die aus dem Schatten der mannshohen Mauer trat. Das junge Mädchen war schmaler geworden. Nein, sie war jetzt eine junge Frau, dachte Marie und streckte Vroni die Hände entgegen. Die hellblauen Augen leuchteten, Vroni ergriff ihre Hände und wollte in einen Knicks sinken, doch Marie zog sie an sich und drückte sie fest. Beide Frauen suchten die Rührung vor der anderen zu verbergen. Marie hielt das Mädchen auf Armeslänge von sich. »Geht es dir gut, Vroni? Und Paul? Ich bin zu spät gekommen und hatte doch versprochen, hier zu sein, wenn das Gericht abgehalten wird. Aber ich durfte nicht aus München fort.«
    »Oh, Ihr müsst Euch nichts vorwerfen. Ich weiß, dass Ihr helfen wolltet, und Paul und Anton wissen das auch. Es ist ja gut gegangen. Nicht mit Aras. Ich hab’s gehört.« Hier biss sie sich auf die Lippen, fuhr dann aber hastig fort: »Paul ist jung und schon fast wieder ganz erholt. Martha hat nach mir geschickt. Herrin, Ihr seid hier in Gefahr und dürft nicht bleiben. Die Leute reden, dass böse Geister entfesselt wurden wegen dem falschen Urteil, dem Kindshändel und wegen diesen Anschlägen auf Euch!«
    »Aber das ist alles Menschenwerk, Vroni. Du glaubst doch so was nicht?« Der Feuerball der Abendsonne versank hinter dem Wald, und nur ein schwacher, rötlicher Schimmer erhellte noch den Himmel. Die Stallungen warfen unförmige Schatten im Zwielicht des sterbenden Tages.
    Ein kaum merkliches Zögern ging Vronis Antwort voraus. »Nein, ich nicht. Nein, aber hier war eine Nonne, die hat die Leute ganz verrückt gemacht mit ihren Andeutungen und Fragen. Und Ihr wisst doch, was geschehen kann, wenn die Leute erst mal einen ausgepickt haben und sich draufstürzen, und gar nicht schnell genug kann es dann gehen, dass einer ›Hexe‹ schreit! Mein Bruder war drüben im Thüringischen und hat miterlebt, wie sie die Frauen auf die Scheiterhaufen schleppen und sich aufgeilen an den armen Dingern, die lebendig verbrennen! Und in Ingolstadt, gottlob, das ist weit weg, sind viele Denunziationen vorgefallen, und jetzt soll ein neuer Kinderhexenprozess beginnen!«
    Marie konnte sehen, dass es ihrer ehemaligen Dienerin ernst war mit der Warnung, denn das Mädchen sah sich dauernd angstvoll um und sprach so schnell und eindringlich, wie Marie es noch nie bei ihr erlebt hatte. »Aber Vroni, der Herzog ist ein vernünftiger Mensch und wird solch einen Wahnsinn in seinem Reich nicht zulassen. Seine Politik ist in dieser Hinsicht besonnen, wofür wir dem Herrn danken können!«
    Vroni rang die Hände. »Ich bin nur ein einfaches Ding, aber mein Bruder hat solche Gräuel erzählt, dass einem ganz bange wird! Und es geschieht Böses. Jemand schickt falsche Nachrichten. Ich meine, seht doch! Der arme Aras liegt dort und …«
    »Vroni, es ist gut. Beruhig dich doch! Ich lasse mich nicht einschüchtern!«
    Das Mädchen holte tief Luft. »Ich weiß nicht. Manchmal ist es sicherer, der Angst zu folgen. Paul und ich gehen morgen früh von hier fort. Wir sind meinen Leuten hier lange genug zur Last gefallen. Der Herzog kann seine Augen nicht überall haben. Wir wollen nach Vils. Da hat Paul Verwandtschaft, die uns aufnimmt, bis wir eine Arbeit haben. Deshalb bin ich auch hier. Ich wollte mich von Euch verabschieden. Ihr seid so gut zu mir gewesen.«
    »Marie! Wo steckt Ihr?«, rief Albrecht vom Hof herüber. Der wütende Unterton war nicht zu überhören.
    Vroni knickste, ergriff rasch Maries Hand und presste einen Kuss darauf. »Der Herr soll mich nicht finden. Ich will nicht noch mehr Scherereien. Die Leute hier fürchten Einhard, und es wird viel geredet wegen der Sache mit Paul und dass der Herr zu milde gegen Einhard war. In Einhards Familie gab es immer Hebammen und Frauen, die sich mit Strafzaubern und solchen verbotenen Dingen auskennen. Er hat Macht hier beim Volk, auch wenn das keiner offen sagen würde. Hütet Euch vor ihm!« Vroni raffte ihre Röcke.
    »Gott schütze dich!«, flüsterte Marie der jungen Frau hinterher, die sich im Schutz der Hofmauer davonschlich. Du solltest dich nicht verstecken müssen, du am allerwenigsten, dachte Marie und brach einen

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