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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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saß, doch die Arme lagen auf seltsam verdrehte Art seitlich und mit nach oben zeigenden Handflächen neben der Nonne. Am linken Arm war die Tunika nach oben gerutscht und entblößte die vernarbte Haut. Das verschleierte Haupt der Nonne ruhte auf der steinernen Rückbank, und der weit aufgerissene Mund und die offenen, blicklosen Augen ließen keinen Zweifel daran, dass die ehemalige Kurtisane aller irdischen Mühsal entflohen war. »Ich hätte sie nicht allein lassen dürfen«, flüsterte Marie.
    Iris beugte sich über den Mund der alten Frau, tastete nach deren Handgelenk und strich schließlich über die Augenlider, um sie sanft zu schließen. » Sancta Maria, mater Dei, ora pro nobis peccatoribus, nunc et in hora mortis nostrae. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes.« Schwester Iris schlug das Kreuzzeichen über der Toten und murmelte: » In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen.«
    »Amen.« Marie bekreuzigte sich, betrachtete die Tote und betastete, einer plötzlichen Eingebung folgend, Gislas Halstücher.
    »Was tut Ihr denn da?«, fragte Iris. »Wir können nichts mehr für sie tun. Selbst eine kleine Aufregung, die uns nichtig erscheinen mag, kann einen gebrechlichen alten Menschen umbringen. Und der Anblick des Herzogs war möglicherweise überwältigend.«
    Nicht der Anblick des Herzogs, dachte Marie und löste den Knoten der Verschleierung, um den Hals freizulegen. Vorsichtig schob sie die Tücher über den mageren Frauenhals und hielt inne, als sie die tiefrote Linie sah, die sich tief ins Fleisch gegraben hatte. »Nicht der Anblick des Herzogs hat Gisla getötet, sondern ihr Mörder!«
    Iris trat dicht dazu. »Ihr habt recht!« Rasch schob sie die Halsbinde zurück an ihren Platz und bedeutete ihr zu schweigen, als eine Novizin um den Rosenbusch lugte.
    »Ist etwas mit Schwester Gisla?« Sie starrte auf den aufgerissenen Mund der Toten. »Heilige Mutter Gottes!«
    »Sie war alt, Katharina, und ihre Zeit war gekommen. Ich kümmere mich darum. Geh nur, wir wollen den hohen Besuch nicht durch unsere häuslichen Angelegenheiten stören«, ordnete Iris an.
    Katharina sah sich um. Das herzogliche Paar und sein Gefolge waren bereits auf dem Rückweg. Nur die weißblauen Uniformen der Wachleute leuchteten noch durch die Bäume, die den Garten vom Eingangsbereich abschirmten. »Ja, Schwester«, hauchte sie, bekreuzigte sich und lief davon.
    »Wieso kam Euch dieser Verdacht, Frau von Langenau?« Iris’ Ton war inquisitorisch und missfiel Marie.
    »Eine Ahnung, nur eine Ahnung. Sie schien mir nicht krank genug, als dass sie hätte sterben müssen. Das ist alles!«, verteidigte Marie sich und überlegte, dass der Mörder sofort gehandelt haben musste, nachdem sie Gisla verlassen hatte. Er hatte sie beobachtet. Der Mörder hatte sie gesehen, genau wie Gisla ihn gesehen hatte und …
    »Ich glaube Euch nicht. Ihr wisst mehr, als Ihr sagt, aber es ist nicht an mir zu entscheiden, was geschehen soll. Ein Mord im Kloster während der herzoglichen Visite ist kaum wünschenswert. Kein Wort darüber!« Iris musterte Marie. »Ihr seht selbst recht blass um die Nase aus. Fürchtet Ihr Euch? Vor wem? Braucht Ihr Hilfe?« Mitgefühl flackerte in Iris’ Augen auf.
    Marie legte ihre gefalteten Hände an die Lippen und schüttelte bedächtig den Kopf. »Ich habe große Angst, Iris, aber nicht nur um mich, sondern vor allem um meinen Oheim. Es ist eine lange, verworrene Geschichte …« Sie hielt inne. »Und ich weiß nicht, wem ich trauen kann. Ich weiß es einfach nicht mehr.«
    »Nun, ich denke, die Mutter Oberin soll entscheiden, wie mit dem Ableben der seligen Gisla umgegangen werden soll, und es ist keinesfalls vonnöten, dass Ihr dazu gehört werdet.« Iris sah sie fest an. »Ich halte Euch für eine gute Seele, Frau von Langenau.«
    »Gott segne Euch, Iris«, sagte Marie voller Dankbarkeit.
    Hinter dem Brunnen erschienen zwei Nonnen und kamen auf sie zu.
    »Hat Gisla mit Euch über ihre Vergangenheit gesprochen?«, fragte Iris und streifte den weißen Stoff über Gislas Handgelenk. »Ich habe mich immer gefragt, was hinter ihren schrecklichen Narben steckt.«
    Marie öffnete die Lippen, um etwas zu sagen, schloss sie jedoch wieder. Wer konnte ermessen, was diese Frau durchlitten hatte? Selbst im Tode hatte die ehemalige Kurtisane ein Recht auf ihre Würde, eine Würde, die sie zu Lebzeiten mit Bitternis und Schmerz bezahlt hatte.
    Iris beobachtete sie.

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