Blut und Rüben
waren.
Der Bereich um die Externsteine ist ein mystischer Ort. Die Menschen haben die Steine zu allen Zeiten als etwas Besonderes betrachtet. Die archäologischen Funde gehen bis in die Altsteinzeit um 10 000 v. Chr. zurück. Im Mittelalter erfuhren die Steine eine Säkularisierung durch das Paderborner Kloster. Im 17. Jahrhundert nutzte der lippische Landesherr Graf Hermann Adolf zu Lippe-Detmold die Steine, indem er sie mit einem Jagdschloss als Anbau entweihte. Noch schlimmer erging es den Externsteinen im Dritten Reich: Sie wurden zur germanischen Kultstätte erklärt. Himmler persönlich ernannte sich zum Vorsitzenden der von ihm gegründeten Externstein-Stiftung.
An diesem Morgen lagen die heiligen Steine, in denen manche auch die sagenumwobene Irminsul vermuteten, noch im Tiefschlaf. Zumindest vermutete ich das, bis Luna plötzlich ein aufgeregtes Bellen ausstieß und kaum mehr zu halten war.
An dem kleinen See, der sich am Fuß der Externsteine staute, hatte sich trotz der frühen Morgenstunde eine kleine Menschenmenge versammelt. Ein Jogger hatte die Leiche des Majors im See treiben sehen und die Polizei alarmiert.
Über der Menge lastete eine eigenartige Stille. Ich sah in verstörte, entsetzte Gesichter. Selbst die Polizisten bildeten da keine Ausnahme.
Luna hechelte und zog und zerrte an der Leine.
Als ich näher kam, erkannte ich, welches Grauen diese Leute so umklammert hielt.
Die Leiche des Majors lag am Ufer.
Er hatte sich auf die gleiche Weise von der Welt verabschiedet, wie er sie betreten hatte.
Unbekleidet.
Ich griff zur nächsten Figur. Ludwig. Und wieder hatte ich ins Schwarze getroffen. Ich zog einen Bauern hervor. Ich entfernte der Ludwig-Figur den Kopf und stellte sie zunächst einmal an den Rand des Tisches.
Dann griff ich ein drittes Mal in die Playmobilbox. Diesmal hatte ich einen Seeräuber erwischt. Mit Augenklappe und Säbel. Ich stellte ihn zwischen die beiden Ermordeten.
Eine Zeit lang waren alle möglichen Fremden bei uns aufgetaucht. Polizei, Kripo, MAD, Interpol ... Offiziell hieß es irgendwann, der Major habe Selbstmord begangen. Er habe sich von den Externsteinen gestürzt. Die Selbstmordtheorie war mir von Anfang an spanisch vorgekommen. Dazu war der Major viel zu vital gewesen. Und trotz des Verlustes seines Vermögens hatte er ständig neue Pläne und Ideen gehabt.
Diesmal wählte ich die Playmobilfigur bewusst aus: einen Polizisten. Ich stellte ihn zwischen die beiden Toten.
Komisch, dass ausgerechnet gestern, mit der Ankunft Ollies, ein weiterer Toter entdeckt worden war. Diesmal ohne Kopf.
Ich erkannte meinen Fehler und korrigierte Ludwigs Figur, indem ich den Korpus entfernte und allein den Kopf an dessen Stelle platzierte. Den Körper legte ich zur Seite.
Darüber grübelte ich eine Zeit lang nach. Das Rätselfieber hatte mich gepackt. Was hatten ein vermeintlicher Selbstmörder und ein Kopf ohne Korpus überhaupt miteinander gemein?
Beide Opfer hatten sich gekannt. Trotzdem gab es keine Gemeinsamkeiten zwischen ihnen. Beide gehörten verschiedenen Nationen und Generationen an. Der eine war Landwirt, der andere Pensionär.
Luna schlug an. Ärgerlich über die Störung erhob ich mich und wollte sie zurechtweisen. Dabei fiel mein Blick aus dem Fenster.
Unten war eine dunkle BMW-Limousine vorgefahren. Zwei Herren in ebenso dunklen Anzügen stiegen aus. Obwohl es immer noch nieselte, trugen sie eine Sonnenbrille. Ich überlegte, ob sie wohl zum LKA oder zu einer anderen Schnüffelbehörde gehörten. Aber dazu erschienen sie mir selbst aus der Entfernung zu wenig aalglatt. Wenn ich sie zoologisch einzuordnen hätte, so gehörten sie eher zum Typ Gorilla. Ihre breiten Schultern drohten die Anzugnähte zu sprengen. Irgendwie roch ich den Ärger. Dennoch legte ich mir eine selbst verordnete Zurückhaltung auf.
Schließlich war ich nicht Ollies Kindermädchen.
Und dass ihr Besuch unserem neuen Hausherrn galt, darauf hätte ich sogar Luna verwettet!
Irgendwie war ich jetzt raus aus dem Spiel. Ich ließ die Figuren stehen, wo sie waren, setzte mich in den Sessel und grübelte vor mich hin.
Drei Dinge passierten auf einmal. Und alle drei noch vor dem täglichen Five o’clock Tea.
Als Luna erneut kurz anschlug, war ich gleich beim Fenster. Die beiden Gorillas hauten ab. Das war das Erste. Sie setzten sich in ihre Karosse und fuhren vom Hof. Ich schaute auf die Uhr. Ihr Besuch hatte eine halbe Stunde gedauert.
Aber nicht deswegen hatte Luna gebellt. Ein
Weitere Kostenlose Bücher