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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Clementia war nicht da, was Änne kaum überraschte. Die alte Magd war bestimmt längst unterwegs, um Meister Conrad zu helfen. Richtig, der Kasten fehlte, den sie erst gestern Abend wieder ordentlich eingeräumt hatte.
    Im Licht, das durch die Fensterluke schien, sah sie etwas Glänzendes auf dem Boden. Rasch bückte sie sich und hob es auf – es war das schmale, besonders scharfe Messer, das Marsilius benutzte, um ins Fleisch zu schneiden. Ein Familienerbstück und sein wichtigstes Instrument.
    Sie musste es gestern wohl in der Dunkelheit und in dem ganzen Unglück übersehen haben. Ihr erster Impuls war, loszurennen und es ihm zu bringen.
    Was für ein dummer Gedanke.
    Ein Geräusch aus der Küche ließ sie zusammenfahren. War Clementia schon zurück? Sie legte das Messer behutsam auf den Tisch, dann ging sie los, um nachzusehen.
    Bei dem Anblick verschlug es ihr zunächst die Sprache. Der neue Knecht lümmelte dort, die Beine auf dem Tisch, vor sich den Krug Wein, den sie für das Pfingstfest aufgespart hatte, und den Rest des Schinkens, der ebenfalls für die Festtage bestimmt war.
    Der Knecht, ein kräftiger junger Kerl von zwanzig Jahren, der erst vor vier Wochen seine Arbeit in diesem Haushalt aufgenommen hatte, nachdem der vorige gestorben war, fühlte sich keineswegs ertappt, als sie die Küche betrat. Statt aufzuspringen und mit schlechtem Gewissen sofort wieder an seine Arbeit zu gehen, weil ihn die Meisterin beim Diebstahl entdeckt hatte, sah er sie herausfordernd an und schnitt sich eine weitere Scheibe vom Schinken.
    »Was soll das bedeuten?«, fuhr sie ihn an. »Und wo hast du eigentlich gestern gesteckt?«
    Gerade erst war ihr bewusst geworden, dass er sich den ganzen Abend lang nicht hatte blicken lassen – obwohl sich wahrlich genug Schlimmes ereignet hatte und sie Hilfe gebraucht hätten.
    »Das geht dich nichts an!«, blaffte er zurück.
    Änne riss die Augen auf, als sie die respektlose Antwort des Knechtes vernahm.
    »Du hast hier nichts mehr zu suchen, Hure! Der Meister hat dich verstoßen, er selbst ist weg … und jetzt gehören all die feinen Dinge mir.«
    Höhnisch schwenkte er den Arm durch den Raum. »Also verschwinde jetzt aus diesem Haus! Es sei denn, du lässt mich auch mal ran … Gleich hier in der Küche.«
    Das eindeutige Grinsen des Burschen war es, das bei Änne alle Dämme brechen ließ.
    »Du warst es!«, schrie sie fassungslos. »Du hast Meister Conrad verraten! Du bist schuld an allem …!«
    »Und es hat sich für mich gelohnt.«
    Er hatte die Worte noch nicht zu Ende gesprochen, als Änne schon auf ihn losging. All ihre angestaute Wut brach sich nun Bahn. Sie stürzte sich auf den Verräter und brachte ihn durch ihren Schwung samt dem Schemel zu Fall. Beide rappelten sich schnell wieder auf. Änne griff nach dem schweren Bratspieß, um sich den Knecht auf Distanz zu halten. Sie hatte keine Ahnung, was sie als Nächstes tun würde bei diesem ungleichen Kräftemessen, aber das war ihr vollkommen egal.
    »Das wird dir gleich leidtun«, drohte er finster und nahm das Messer vom Tisch. Sie packte den eisernen Spieß mit beiden Händen und ließ den Mann nicht aus den Augen.
    Im nächsten Augenblick griff er an. Änne hieb ihm mit aller Kraft den Spieß gegen den Arm. Es knackte, der Knecht stieß ein lautes Geheul aus und ließ das Messer fallen.
    Doch der Schmerz mobilisierte auch bei ihm neue Kräfte. Er warf sich gegen Änne, wuchtete sie mit seinem Körper an die Wand, umklammerte mit der Linken ihre Kehle und drückte langsam zu.
    »Wie fühlt sich das an?« Seine Finger drückten fester, während er ihr das Knie in den Leib rammte.
    Änne röchelte, vor ihren Augen tanzten Sterne, bis alles schwarz wurde.
    Dann plötzlich ließ der Druck nach, und sie bekam wieder Luft.
    Jemand stützte sie am Arm, führte sie zum Tisch, ließ sie sich niedersetzen.
    Erst allmählich konnte sie wieder sehen, und noch länger dauerte es, bis sie begriff, was geschehen war.
    Otto, früher einmal Kämpfer der Burgwache, nun mit seinen fast siebzig Jahren Pferdeknecht beim Wirt des »Schwarzen Rosses« und einer derjenigen, der die Freiwilligen aus der Stadt schmuggelte, musste unbemerkt in die Küche gekommen sein.
    Zu ihren Füßen lag reglos der Knecht, ein Messer im Rücken.
    Das zog Otto nun heraus und wischte es am Kittel des Toten ab. »Zur Hölle mit dir, Verräterseele!«, knurrte er.
    Besorgt wandte er sich Änne zu. »Geht es wieder? Da bin ich wohl gerade noch im rechten

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