Blutaxt: Die Eingeschworenen 5 - Roman (German Edition)
dich mit Orm gestritten«, sagte sie, und Krähenbein sah sie verunsichert an. Woher hatte sie das so plötzlich? Und noch ehe er denken konnte, sprach er es aus.
» Ich bin sicher, dass er mich verraten hat.«
Da war es. Er konnte kaum glauben, dass er es ausgesprochen hatte, aber als es heraus war, wusste er, dass die Sache ihm größte Sorgen bereitete. Óengusso, der nicht wusste, worum es ging, scharrte mit den Füßen und sah von einem zum anderen, als beobachte er jeden Hieb in einem Holmgang.
Thorgunna schien nicht überrascht. Krähenbein hatte es nie fertiggebracht, ihr etwas zu verheimlichen, und sie freute sich, dass er diese Eigenheit nicht verloren hatte, auch wenn er inzwischen mit den listenreichen Spielen der Könige vertraut war.
» Warum glaubst du das?«, fragte sie, nicht ahnend, dass sie damit einen Dammbruch auslöste. Es brach aus ihm heraus, die ganze, verworrene Geschichte, bis er geendet hatte und sich erschöpft wieder setzen musste. Aber er fühlte sich unendlich erleichtert.
Thorgunna war einen Moment wie benommen. Sie erkannte seinen verletzlichen Stolz, aber auch, dass er sich über seine Stärke noch nicht völlig im Klaren war. Olaf Tryggvesson wusste, was einen König ausmachte, und er würde alles daransetzen, einer zu werden, dachte sie traurig, aber es würde ihn die besten Eigenschaften kosten, die ihn jetzt hatten zum Manne werden lassen.
» Ich habe diesen Martin nie gemocht«, sagte sie schließlich. » Er ist ein Kriecher und ein falscher Hund. Du denkst also, dass er diesen Drostan getötet hat?«
Krähenbein nickte, er konnte noch nicht sprechen.
» Und du denkst, er hat erst Orm benachrichtigt und dann allen anderen die gleiche Botschaft geschickt – Dyfflin, Orkney und so weiter, um allen eine Falle zu stellen?«
Wieder nickte er.
» Du glaubst, Orm hat gewusst, dass es Martin war, der ihm die Nachricht geschickt hat? Und dass er dich losgeschickt hat, ohne dir etwas davon zu sagen, weil er diese dumme Axt für sich selbst haben will?«
Das war es ja gerade, was Krähenbein das Herz so schwer machte, und sie sah die Antwort in seinen Augen. Eine Weile schwieg sie, aber als Krähenbein etwas ruhiger geworden war, fuhr sie fort.
» Die Sache mit Eiriks Axt ist vermutlich wahr«, sagte Thorgunna, » sonst gäbe es nichts, um Dyfflin und Orkney derartig in Versuchung zu führen. Martin wird ihnen unermessliche Reichtümer versprochen haben. Olaf Irenschuh braucht Männer, und mit der Axt würde er einen weiteren Triumph über seinen alten Feind Eirik feiern können. Und Gunhild in Orkney – nun ja, sie dürfte mindestens ebenso hinter dir her sein wie hinter der Axt ihres Alten.«
» Das habe ich auch schon begriffen«, sagte er, und sie zog eine Augenbraue hoch.
» Tatsächlich? Dann hast du bestimmt nicht gut geschlafen. Und deine Sorge darüber, welche Rolle Orm spielt, hat es auch nicht leichter gemacht.«
Er bestätigte es mit einer Handbewegung, und Thorgunna holte so tief Luft, dass ihr stattlicher Busen drohte, ihr das Kleid zu sprengen.
» Frag dich doch einfach mal, was Martin wirklich will«, sagte sie. » Und dann frag dich, was Orm wirklich will.«
Krähenbein sah sie an, ihm war noch immer schwindelig, trotzdem lächelte er schwach und riskierte es aufzustehen.
» Orm will dich, Thorgunna«, sagte er. Sie lachte, aber es war ein bitteres Lachen, das wie totes Herbstlaub klang.
» Ja, mag sein«, sagte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung. » Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Immer hat er gesagt, wie sehr er es hasst, in der Welt herumzuziehen, und doch war er immer mehr unterwegs als zu Hause. Er will seine Männer und die Reisen noch mehr als mich.«
» Komm mit nach Hestreng und sieh selbst«, sagte Krähenbein, doch sie schüttelte den Kopf.
» Ich werde niemals nach Hestreng zurückkehren.«
» Dann woanders hin«, erwiderte Krähenbein, dem plötzlich einfiel, dass sie Hestreng hassen musste, wo sie das verkrüppelte Kind, das sie geboren hatte, auf einen Stein gelegt und den Göttern überlassen hatte. Krähenbein erzählte ihr, wie er zusammen mit Orm und den anderen um diesen Stein gestanden und die Tränen in Orms Augen gesehen hatte.
» Ja, ja«, sagte Thorgunna. » Wenn man die Götter Asgards mit Tränen unschädlich machen könnte, dann hätte ich genug davon gehabt, um sie alle zu ertränken. Sie hatten kein Erbarmen. Ich bin fertig mit Asgard und Hestreng und mit den Eingeschworenen. Und wenn das bedeutet, dass ich
Weitere Kostenlose Bücher