Blutbahn - Palzkis sechster Fall
Kontrollen
sind messerscharf geworden. Letztens war die Berufsgenossenschaft bei mir. Hat meine
ganze Mobilklinik auf den Kopf gestellt. Von wegen Unfallverhütungsvorschriften
und so. Das Einzige, was in ihr Resort fiel und sie zu bemängeln hatten, war, dass
ich nur eine Toilette habe. Ja, um Himmels willen, wie soll ich in meiner Klinik
zwei Toiletten einbauen? Um die Typen von der Genossenschaft zufriedenzustellen,
habe ich zwei Zettel ausgedruckt, einen mit ›Herren‹ und einen mit ›Damen‹. Je nachdem,
wie ich’s gerade brauche, hänge ich den einen oder anderen Zettel an die Tür des
Chemieklos. Ich schütte das Zeug anschließend sowieso in den Wald. Die Wildschweine
scheißen schließlich auch rein.«
»Herr Doktor Metzger?«, fragte ich
zaghaft. »Dürfte ich kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten?«
Der Notarzt drehte sich tatsächlich
zu mir um. Fritz nutzte die Gelegenheit zur Flucht.
»Na, können Sie sich wieder erinnern?
Oder soll ich Ihnen einen kleinen Chemiecocktail spritzen? Ist allerdings noch in
der Experimentierphase.«
Ich musste jetzt stark sein. Ich
musste Metzger in den nächsten Minuten überleben. Ich bin gesund. Ich bin fit. Ich
kann aufstehen. Das alles redete ich mir ein.
»Helfen Sie mir mal, ich möchte
aufstehen.«
»Wenn Sie meinen …«
Er stellte sich vor mir hin, nahm
meine Hand und zog daran, als müsste er einen Gullideckel aus der Straße herauswuchten.
Ich kam auf die Beine, mir wurde
sofort schwindlig und ich kotzte in weitem Strahl über die Altpapiertonne. Wer das
wohl sauber machen würde?
»Sehen Sie?« Metzger lachte. »Sie
haben eine massive Gehirnerschütterung. Das sollte man nicht auf die leichte Schulter
nehmen. Soll ich nicht doch –«
»Nein, nein«, wehrte ich so laut
ab, wie ich konnte. »Ich brauche nur ein paar Minuten Zeit. Schlecht ist mir nur,
weil ich was Falsches gegessen habe. Wie kommen Sie überhaupt hierher?«
Ich fand, das war eine gute Frage.
Damit konnte ich wertvolle Zeit gewinnen. Zeit, um mich zu erholen.
»Sie meinen, weil wir uns zufällig
in der direkten Nachbarschaft zum Bahnhof befinden? Nein, es ist nicht so, wie Sie
denken. Heute Abend habe ich keinen Kunden. Seit Freddie, Kurt und die anderen abgehauen
sind, ist der Anstaltsdirektor skeptisch geworden. Das kostet mich in den nächsten
Tagen wieder stundenlange Aufklärungsarbeit. Dabei weiß er so gut wie ich, dass
jeder kleine Erfolg mühsam erarbeitet werden muss.«
Sein Lachen dröhnte durch die Nacht
und in meinem Schädel.
»Ich habe am
Samstag, direkt nach diesem Teufelsmord in der Bahnhofskneipe mit so einem grusligen
Typ Bekanntschaft geschlossen. So ein richtig uriger, alles total mit Haaren zugewuchert.
Mit dem bin ich heute Abend verabredet. Nur mit seinem Dialekt, da tue ich mir noch
schwer. Falls ich es noch nicht erwähnt habe, die haben drüben in der Kneipe ein
gutes Exportbier. Sollten Sie mal probieren, das läuft runter wie Öl.«
»Wie haben Sie mich gefunden?«
»Da war so ein Kerl vor dem Haus,
der hat gewunken, als er mich mit meiner Klinik vorbeifahren sah. Er sagte, dass
er Zivilbeamter sei und ein Kollege verletzt hinter dem Haus liegt. Dass das ausgerechnet
Sie waren, konnte ich zu dem Zeitpunkt nicht wissen. Übrigens, an wen schicke ich
die Rechnung?«
Ich hatte genügend Zeit herausgeschunden,
da nun Gerhard und Jutta angerannt kamen.
Sie beugten sich zu mir runter.
»Alles in Ordnung, Reiner?«
Meine Kollegen klangen ernsthaft
besorgt.
Ich nickte. »Mein Schädel brummt
etwas, aber das wird auch wieder aufhören. Gerhard, könnten wir den Umzug auf morgen
Abend verschieben?«
»Sonst hast du keine Sorgen, Kollege!«
Gerhard schüttelte den Kopf. »Ich ruf gleich bei Stefanie an. Ich habe ihr versprochen,
so schnell wie möglich Bescheid zu geben.«
Er stand auf und zog sein Handy
aus der Tasche. Während er ein paar Schritte nach hinten ging, sprach Jutta zu mir.
»Kannst du mir sagen, was passiert
ist? Dieser Fritz Koppler hat dich gefunden. Er sagte, du hättest ihn kurz vertreten,
weil er mal austreten musste. Höchstens eine Minute, meinte er. Seine Kollegen vor
dem Haus und er schwören, dass sie niemand anderes gesehen haben.«
»Dem muss ich mich anschließen.
Ich habe nur einen Prügel auf mich niedersausen sehen. Es war eine Sache von Millisekunden
und außerdem war ich unvorbereitet.«
Das Sprechen ging zwar mittlerweile
besser, war aber trotzdem noch sehr anstrengend.
»Ich kann dir nicht einmal sagen,
was für ein
Weitere Kostenlose Bücher