Blutbeichte
ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten haben. Ich will ja auch nicht, dass die Leute mich als die ›arme Mutter von Robin‹ ansehen. Wir alle sind viel mehr als das. Es war für mich ein furchtbarer Schlag, Robin zu verlieren, doch genau das hat meinen Wunsch geweckt, diese Klinik zu gründen. So ist letztendlich noch etwas Gutes daraus erwachsen.
Jedenfalls wollte ich euch bitten, für Mary da zu sein. Ihr könnt ihr helfen, diese schwere Zeit durchzustehen, und durch freundliche Gesten zu ihrem Wohlbefinden beitragen, sobald sie ihre schlimmste Trauer überwunden hat und unsere Gesellschaft wieder zulässt.«
Joe und Danny warteten vor der Tür, als Julia herauskam.
»Guten Tag«, sagte Joe. »Könnten wir kurz mit Mary sprechen?«
Julia zögerte. »Um was geht es? Sie hatte heute Morgen einen Anfall und ruht sich jetzt aus.«
»Es wird nicht lange dauern. Es geht um David und seine finanziellen Transaktionen.«
Julia blickte ihn misstrauisch an. »Um was geht es genau?«
»Darüber wollten wir mit Mary sprechen.«
»Also gut, Detective.«
Joes Handy klingelte. »Entschuldigen Sie bitte.« Joe ließ sich ein Stück zurückfallen, als sie den Flur hinuntergingen.
»Detective Lucchesi? Hier ist noch einmal Scott Dolan von der Philadelphia Police. Sie werden es nicht glauben, aber einer von Curtis Walstons Freunden in der Scheideanstalt Trahorne hat ein hübsches blutbeflecktes schwarzes Oberteil aus einem anderen Paket vom Valtry-Labor vor dem Feuer gerettet.«
»Es gibt noch eins?«, fragte Joe verwundert.
»Ja, es kam kurz nach dem ersten dort an.«
»Sie machen Witze.«
»Ich habe es hier in einer Beweistüte. Dieser Bursche hat es vor dem Feuer gerettet. Er hasst seinen Boss und findet es gemein, dass Curtis Walston gefeuert wurde.«
»Das sind ja endlich mal gute Nachrichten!«
»Ja. Ich schicke Ihnen das Beweisstück umgehend zu.«
Mary lag auf dem Bett und starrte auf das Foto von David auf dem Nachttisch. Sie konnte nicht glauben, dass er nicht mehr lebte. Jetzt hatte sie niemanden mehr. Alle ihre Angehörigen waren tot. Dann aber sah sie das Foto, auf dem sie mit Julia und Magda zu sehen war, und sie wusste, dass es immer noch ein paar Menschen gab, die sich um sie sorgten. Hier war jetzt ihr Zuhause. Schon eine Woche, nachdem sie in die Colt-Embry-Klinik gekommen war, hatte sie sich hier zu Hause gefühlt.
Das Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Sie stand auf und öffnete.
»Hallo, Mary«, sagte Joe. »Wir sind es noch mal, Lucchesi und Markey.«
Mary nickte. »Hallo. Kommen Sie herein.«
»Wir müssen nur kurz etwas klären«, sagte Joe. »Wir haben die Konten Ihres Bruders überprüft und wissen, dass er Ihren Aufenthalt hier bezahlt hat. Vor dem Überfall auf Sie hat er aber auch hohe Schecks für Sie ausgestellt. Können Sie sich erinnern, warum er das getan hat?«
Mary runzelte die Stirn. »Nun, er war mein großer Bruder. Er hat mir immer geholfen …« Sie verstummte und zuckte mit den Schultern.
»Es waren Schecks über fünftausend Dollar, die er jeden Monat für Sie ausgestellt hat.«
»Wow. Das ist sehr viel Geld.«
»So ist es, Mary. Deshalb wäre es gut, wenn Sie mal darüber nachdenken würden. Vielleicht fällt Ihnen etwas zu den Schecks ein … oder dazu, wie Sie das Geld ausgegeben haben.«
»Sicher«, erwiderte Mary. »Aber ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Sonst würde ich mich jetzt schon daran erinnern.«
Magda Oleszak betrat die Bücherei. Stan Frayte stand in der Ecke und blickte auf ein großes, gerahmtes Foto, das an der Wand hing. Es zeigte einen blonden Jugendlichen, der geduldig in die Kamera lächelte.
Vor sechs Monaten hatte Magda hier Platz geschaffen, damit die Bewohner Fotos ihrer Freunde und Angehörigen aufhängen konnten. Dabei ging es um mehr als schlichte Dekoration. Es gehörte zur Therapie, vertraute Gesichter und Erinnerungen aus dunklen Verstecken hervorzuholen. Jeder wurde ermuntert, seine Fotos hierher zu bringen. Mary beispielsweise hatte ein Bild von David mitgebracht. Über den Fotos hing eine Holztafel mit der Aufschrift: Galerie.
Magda schaute nickend auf das Foto, das Stan betrachtete.
»Das war das erste Bild, das wir aufgehängt haben«, erklärte sie ihm. »Es ist Robin Embry, Julias Sohn.«
»Tatsächlich?«
»Ja«, sagte Magda. »Der arme Junge. Er ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
»Wie geht es Mary?«, fragte Stan.
»Es geht so. Es ist alles sehr schwer für sie. Es ist nicht
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