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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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alles auch nur halbwegs so lief, wie ich mir das vorstellte, gehörte Joaquín de Alvaro und was auch immer mit ihm zu tun hatte, bald der Vergangenheit an und war dann ein für alle Mal bedeutungslos.
    Mit einem leisen Seufzen sah ich zur Kirche zurück. Noch immer keine Spur von ihm. Allmählich spürte ich tatsächlich, wie lang dieser Tag gewesen war. Gedankenverloren zeichnete ich eines der Symbole nach, die den steinernen Rand des Brunnens verzierten – bis mir bewusst wurde, was ich da gerade mit
den Fingerspitzen nachfuhr. Issej, das Siegel für Beständigkeit. Ich schluckte, sah genauer hin, erkannte rechts davon das Zeichen für Wasser und auf seiner anderen Seite, neben einem Siegel, das ich noch nie zuvor gesehen hatte, das Zeichen für Luft. Alle durch etwas, das scheinbar – aber eben nur scheinbar – eine Schmuckranke war, miteinander verbunden.
    Ich richtete mich ein Stück weiter auf. Der ganze Brunnenrand war mit Siegeln und Element-Symbolen versehen. Und jetzt fiel mir auch seine Form auf: eine Blüte. Mit fünf ovalen Blütenblättern. Nach einem schnellen neuerlichen Blick zur Kirche beugte ich mich vor und spähte ins Innere des Brunnens. Er war nicht tief, vermutlich nicht mehr als einen knappen drei viertel Meter, mit einer guten Handbreit Platz zwischen dem Rand und der im Mondlicht glitzernden Oberfläche. In seiner Mitte, etwa drei oder vielleicht auch fast vier Meter von mir entfernt, wallte aus einer mit blauen Steinen eingefassten Öffnung das Wasser empor. Nicht als Aufmerksamkeit heischende Fontäne, sondern als hielte man einen Schlauch knapp unter eine Wasseroberfläche. Der Boden war mit einem Mosaik aus bunten Fliesenstücken bedeckt und ich musste zweimal hinsehen, bis ich ihn darin entdeckte: den fünfzackigen Stern eines Pentagramms.
    Am äußersten Punkt jedes ›Blütenblattes‹ befand sich eine seiner Spitzen. Und in jeder dieser Sternspitze war, direkt am Boden, noch halb in ihn hinein versenkt und mit einem silbrig schimmernden Gitter abgedeckt, die Öffnung eines Rohres, das irgendwo unter dem Platz verlaufen musste.
    Auch wenn ich im oder am Brunnen selbst keinen geschlossenen Bannkreis um dieses Pentagramm entdecken konnte, war ich bereit, jede Wette zu halten, dass er da war; irgendwo.

    Und dann …. wurde mir klar, wie es sein konnte, dass San Isandro beinah ebenso grün und blühend war wie Santa Reyada: dieser Brunnen – und Hexerei.
    »Du bist wie ich!«
    Mit einem Keuchen fuhr ich in die Höhe. Meine Hand rutschte vom Brunnenrand ab, ich erwischte mit der anderen gerade noch seine äußere Kante, ehe ich das Gleichgewicht endgültig verlieren konnte und kopfüber im Wasser landete.
    Zwischen den beiden ›Blütenblättern‹ mir gegenüber stand eine junge Frau. Oder besser: hatte gestanden. Gerade kletterte sie über den Rand des Brunnens und watete durch das Wasser auf mich zu. Ihr weißes Kleid bauschte sich auf der Oberfläche. Es wirkte beinah durchscheinend.
    »Du bist wie ich«, wiederholte sie ebenso träumerisch wie zuvor. Mit der Hand fuhr sie durch das Sprudeln im Zentrum des Beckens. In der anderen hatte sie eine Schere. Eine ziemlich spitze Schere. Schritt für Schritt tappte sie weiter auf mich zu.
    Ich trat vom Brunnenrand zurück, als sie meine Seite erreichte, darüberstieg. Erst jetzt erkannte ich, dass ihr ›Kleid‹ in Wahrheit ein Nachthemd war. Das Wasser klebte es ihr an die Beine. Um ihre Füße bildete sich eine Pfütze. Sie waren nackt, zierlich, wie der ganze Rest von ihr.
    Mit dem Handrücken schob sie sich das Haar aus der Stirn. Dunkelblond und kinnlang. Und leicht zerzaust – wie bei jemandem, der gerade aus dem Bett kam. Ihre Augen glitten über mich, blaugrün und irgendwie … abwesend. Genau so, wie ihre Stimme klang: weich und träumerisch … und seltsam abwesend. Die nächste Erkenntnis traf mich wie eine Ohrfeige. Eine Blutbraut! Sie war eine Blutbraut!
    »Du bist wie ich.« Sie streckte die Hand nach mir aus. Ich
wich weiter zurück, brachte keinen Ton heraus. »Wo ist Fabián? Hast du meinen Fabián gesehen?« Sie kam mir nach. »Er hat versprochen, dass er wiederkommt.« Ihre Füße patschten bei jedem Schritt leise auf den Steinboden. Ich spürte den Brunnenrand an meinem Bein, schob mich vorsichtig daran entlang, weiter rückwärts. »Du bist nicht wie Mercedes, nicht? Nein. Du wirst ihn mir nicht wegnehmen.« Lächelnd neigte sie den Kopf ein klein wenig zur Seite; musterte mich. Ihre Unterarme waren an den

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