Blutbraut
gefällt Ihnen.«
Einen Moment war ich zu überrascht, um etwas zu sagen, doch dann nickte ich hastig. Natürlich: ›Luisa‹. »Es ist wunderschön. Vielen Dank!« Ich brachte die Worte kaum heraus. Luisa lächelte mir kurz zu, dann legte sie den Arm fester um Anna und zog sie sanft vorwärts. »Komm, mi niña.«
Doch nach keinen zwei Schritten drehte Anna sich schon wieder halb um. »Gute Nacht, Joaquín. Sag Fabián, dass ich auf ihn warte.« Sie winkte ihm auf diese abwesende Art über die Schulter zu.
Für eine Sekunde hätte man meinen können, sie hätte ihn geschlagen. Dann neigte er nur den Kopf. »Gute Nacht, Anna.« Seine Stimme klang mit einem Mal noch heiserer als gerade eben. Die anderen Männer tauschten mitleidige Blicke, während sie Luisa und Anna folgten. Ich schaute ihnen nach. Anna hatte sich wie zuvor fest in Luisas Arm geschmiegt.
»Ist mit dir alles in Ordnung, Lucinda?« Er machte genau in dem Moment einen Schritt auf mich zu, in dem ich mich ganz zu ihm umwandte. Abrupt blieb er stehen, wich sogar wieder ein kleines Stück zurück. Sein Blick hing unverwandt an mir. »Lucinda?« Bildete ich mir den Hauch von fahlem Gelb in den Tiefen seiner Augen nur ein, oder waren sie heute Nacht tatsächlich vollkommen farblos? »Lucinda? Bist du in Ordnung? Hat sie dich verletzt?«
Ich sah auf die Schere in meiner Hand. An ihrer Spitze hing tatsächlich Blut. Beinah hätte ich gelacht. Von mir stammte es nicht und es war zu viel, um von Anna zu sein. Blieb nur noch einer. Und da fragte er mich, ob mit mir alles okay war.
»Mit mir ist alles in Ordnung. Was ist mit dir?«
Ein Schulterzucken. Auf dem dunklen Grau seines Anzugs und der schwarzen Seide seines Hemdes suchte ich bei diesem Licht vergeblich nach irgendwelchen Blutspuren, die mir verraten hätten, wo und wie schlimm Anna ihn erwischt hatte. »Das hier hätte niemals passieren dürfen. Ich habe dich warten lassen und dich in Gefahr gebracht. Es tut mir leid.«
»Anna ist eine Blutbraut wie ich, nicht wahr?«
Joaquín zögerte, nickte schließlich. »Sí. Sie ist wie du. Oder war es zumindest.«
»Was ist mit ihr passiert, dass sie so …?« … verrückt ist.
»Jorge bringt dich nach Santa Reyada.« Er wich meinem Blick aus, gab jemandem hinter mir ein kurzes Zeichen. Dem Mann, der zuvor von Elenas Cantina auf uns zugekommen war. Er war beinah ebenso ein Hüne wie Lorencio.
»Sí, Patron. – Sanguaíera, kommen Sie?«
Ich blinzelte. Hatte er nicht gehört, was ich gesagt hatte? – Wohl kaum. Vielmehr litt er anscheinend an etwas, das Bratt
immer als ›selektive Taubheit‹ bezeichnet hatte, wenn seine Anweisungen im Forty-two ignoriert worden waren. Unwillig stieß ich die Luft aus. Wenn er meine Frage hier nicht beantworten wollte, gut; dann würde er sie mir auf Santa Reyada beantworten. So wie er mich jetzt wieder ansah, war ihm das nur zu bewusst. Aber da war noch etwas anderes: »Warum kann ich nicht mit dir fahren?«
Eine Sekunde starrte er mich an, dann verzog er die Lippen zu einem Lächeln; hart und bitter; ich konnte seine Fänge sehen. Beinah wäre ich zurückgewichen. »Weil ich mir im Moment, was meine … meinen Hunger nach deinem Blut angeht, selbst nicht ganz traue, obwohl ich auf der Jagd war. – Und mit dir zusammen auf engstem Raum in einem Auto nach Santa Reyada …« Er schüttelte in einer kleinen Bewegung den Kopf. »Keine gute Idee, mi flor.«
»Verstehe.« Ich unterdrückte ein Schaudern.
»Das habe ich mir gedacht. – Dir wird nichts geschehen. Jorge ist mein bester Mann. Und ich werde direkt hinter euch sein.«
Wenn ich ehrlich war, hatte ich mir nicht wirklich Sorgen darum gemacht, dass auf dem Weg nach Santa Reyada irgendetwas Unvorhergesehenes passieren könnte. Aber ich hatte auch nicht damit gerechnet, dass er mich, nach dem, was in den letzten vierundzwanzig Stunden geschehen war, tatsächlich aus den Augen ließ, wenn er es irgendwie vermeiden konnte.
Mit einer Geste, als läge meine Hand auf seiner und er reiche sie an Jorge weiter, nickte er dem Mann zu. »Ich vertraue meine Sanguaíera deinem Schutz an, Jorge.«
Der erwiderte sein Nicken, wandte sich dann mit etwas, das eine angedeutete Verbeugung sein mochte, mir zu und wies auf
einen grauen Escalade, der dort parkte, wo zuvor Cris’ Porsche gestanden hatte. »Sanguaíera!«
Joaquín verstand den Blick, den ich ihm noch einmal zuwarf, offenbar falsch. Er schnitt eine Grimasse, seufzte etwas auf Spanisch, das ich nicht verstand –
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