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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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schien in seinem Schatten winzige Wellen zu schlagen. Reglos sah er auf es hinab.
    »Was weißt du über das ›Band‹ zwischen Hexer und Sanguaíera? «, fragte er nach einigen Sekunden in die Stille hinein.
    »Du meinst, dieses ›Band‹, das eine Blutbraut für den Rest ihres Lebens an ihren Hexer fesselt?« Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, so zynisch zu klingen.
    »Fesselt? – Hast du das von María?« Hatte er gerade tatsächlich eine Grimasse geschnitten? »Natürlich. Von wem sonst.« Mit Mittel – und Ringfinger massierte er sich die Schläfe. »Also erstens trifft es ihre … ›Beschreibung‹ …« Jetzt klang er zynisch, »… nicht ganz, und zweitens kann man das deutlich freundlicher ausdrücken.« Er schüttelte den Kopf. »Wie eine Kette um den Hals, was? Na, danke auch.« Wieder ein Kopfschütteln. »Das Band ist Empathie. Keine bewusste Kommunikation. Nur eine … Ahnung, ein Spüren der Gefühle des anderen. Es wird geschlossen, wenn ein Hexer zum ersten Mal das Blut seiner Sanguaíera trinkt und es ihm freiwillig gewährt wird.
Von dieser Sekunde an ist es ›da‹. Für immer. Aber es auch tatsächlich ›wahrzunehmen‹, ist jedes Mal aufs Neue eine bewusste Entscheidung. Von beiden Seiten. Und es ist bestimmt keine Fessel!«
    Ich zog das Tuch enger um meine Schultern. Das klang so anders als alles, was Tante María mir darüber erzählt hatte. »Was hat das mit Anna zu tun?«
    »Wenn das Band gewaltsam, wie etwa durch den Tod des Hexers, zerstört wird, kann es passieren, dass dieser … Schock den Verstand der Sanguaíera … beeinträchtigt.«
    »Sie wird verrückt.« So wie Anna.
    »Nicht zwingend, aber … in neunundneunzig von hundert Fällen, sí. Je nachdem, aus welcher Familie sie …«
    »Wie wäre es bei…« – mir – »… einer Moreira?«
    Er drehte sich zu mir um, sah mich an. Seine Augen waren in der Dunkelheit mondfahl. »Mit ziemlicher Sicherheit wie bei Anna. Vielleicht sogar schlimmer.«
    Ich holte einmal tief Luft und stieß sie wieder aus. Es half nichts gegen den würgenden Knoten, der plötzlich in meinem Inneren war.
    »Und was geschieht, wenn sie vor ihm stirbt?«
    »Das Problem ist: Sie kann theoretisch ohne ihn weiterleben. Er in der Regel nicht. – Stirbt sie vor ihm, wird er irgendwann Nosferatu werden. In einem solchen Fall erwartet man von ihm, dass er einer rituellen Hinrichtung zustimmt, oder der Patron der Familie schickt ihm irgendwann seinen Vollstrecker auf den Hals, damit der die Sache beendet, ehe er endgültig Nosferatu geworden ist und … zu viel Aufmerksamkeit auf sich und damit die Hermandad zieht.« Ehe er endgültig wahnsinnig wurde und wahllos Menschen abschlachtete. »Aber wenn das Band
außergewöhnlich stark ist und gewaltsam durchtrennt wird, kann das den Übergang zum Nosferatu natürlich beschleunigen. Auch wenn das letztlich ohne Bedeutung ist. Es läuft auf dasselbe hinaus. Es geht nur schneller.«
    »Und Fabián war Annas Hexer.« Ich sagte das nicht als Frage.
    »Sí.«
    »Was ist passiert?«
    Er wandte sich wieder dem Pool zu, starrte auf die schwarze Silhouette, die er vor dem Mondlicht auf das Wasser warf. Sekundenlang.
    »Mercedes, Tomás de Silvas Schwester, kam zu Estéban und behauptete, Fabián wäre kurz davor, endgültig Nosferatu zu werden. Sie hätte ihn in der Nacht gesehen. Es würden ihm nur noch die Schwingen fehlen. Sie war eine Blutbraut. Galt damit, was diese Beschuldigungen anging, als ›unfehlbar‹. Und es gab bereits Gerüchte, da Fabián sich zunehmend seltsam und aggressiv verhalten hatte.« Er schüttelte den Kopf. »Und als sie dann noch behauptete, er hätte sie angegriffen, sogar versucht, sie zu beißen, gab es nur noch ein Urteil. – Das Konsortium gab ihm noch nicht einmal die Chance, sich zu verteidigen.« Das Knurren war wieder in seiner Stimme. »Tomás erbot sich, seine ›Hinrichtung‹ zu übernehmen beziehungsweise ihn ohne seine Zustimmung zu töten, wenn er sich nicht freiwillig fügen würde. Immerhin waren Fabián und ich nicht nur über mehrere Ecken verwandt, sondern obendrein Freunde.« Er fletschte die Zähne, die Fänge unübersehbar entsetzlich lang. Beinah hätte ich aus reinem Reflex einen Schritt rückwärts gemacht. Doch ich schaffte es, am Rand der Stufen nach unten stehen zu bleiben. »Ich habe Tomás gesagt, er soll sich zum Teufel scheren, und bin zu Fabián gegangen.« Seine freie Hand schloss
sich zur Faust. »Ich habe ihn getötet.« Die Art, wie er das sagte,

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