Blutbraut
tatsächlich alles dort landete, wo es hingehörte. Als er nach dem Handy griff, zögerte er für einen Moment, steckte es dann aber doch in die Hosentasche. Nur um mitten in der Bewegung innezuhalten und mich anzusehen.
»Aber frühstücken wirst du noch wollen, oder? – Ich meine, wir werden den ganzen Tag unterwegs sein. Die Kühlbox ist zwar schon gepackt und auch ansonsten könnten wir direkt los, aber dafür ist …« Mein verblüffter Blick war ihm nicht entgangen. Zu meinem Erstaunen brach er ab, räusperte sich, bevor er weitersprach. »Ich … hatte gehofft, dass du deine Meinung nicht geändert hast … und vielleicht solltest du ein anderes Oberteil …«
»Das war das hellste, das ich in meinem Schrank finden konnte.« Ich zupfte an dem Shirt.
»Und in den Tüten neben der Haustür?«
Ich schüttelte den Kopf.
Einen Moment musterte er mich, nachdenklich, abschätzend,
nickte schließlich, während er zugleich seine Unterlagen mit dem Tablet-PC oben drauf vom Tisch nahm. »In Ordnung. Du frühstückst und ich sehe, was ich diesbezüglich auftreiben kann.«
Er gab mir kaum die Chance, meinerseits zu nicken, dann ließ er mich auch schon allein. Allerdings nahm er nicht den Weg durch die Küche, sondern durch die Tür, die direkt in die Halle hinausführte. Sekundenlang sah ich unsicher auf die Stelle, an der er eben noch gestanden hatte. War es einfach nur der kürzere Weg gewesen? Oder … bedeutete das, dass er sich selbst noch immer nicht traute, wenn es darum ging, in meiner direkten Nähe zu sein? Nein! Mit einer entschiedenen Bewegung brachte ich die Stimme in meinem Inneren zum Schweigen, die pausenlos nur eines kreischte: Fehler! – und das in neonrot blinkender Leuchtschrift – und ging zum Tresen. Einen Augenblick starrte ich auf mein ›Frühstück‹. Bis ich zu dem Schluss kam: Ich wollte eine Tasse Kaffee, aber darüber hinaus hatte ich keinen Hunger. Okay, anstandshalber würde ich etwas von der Ananas essen, die er – Er! – für mich in kleine Stücke geschnitten hatte, aber das war es auch schon. Den Rest würde ich in der Zwischenzeit, während ich auf ihn wartete, wegräumen, damit wir auch wirklich direkt loskonnten.
Ich war ungefähr bei der Hälfte meines Kaffees und gerade dabei, Erdnussbutter und Marmelade in den entsprechenden Schrank zu stellen, als neben mir unvermittelt der Vorhang vor dem Küchenfenster aufflog. Verwirrt hielt ich inne. Was wollte Rosa mir sagen? Dass sie es war, daran gab es keinen Zweifel. Einen plötzlichen – und vor allem so heftigen Luftzug – hätte ich spüren müssen. Hatte ich das falsche Bord … Die Hintertür öffnete sich ohne Vorwarnung. Mit einem erschrockenen
Keuchen fuhr ich herum. Cris blieb abrupt noch im Rahmen stehen. Plötzlich zitterte das Marmeladenglas in meiner Hand. Warum fühlten meine Handflächen sich auf einmal so feucht an? Hastig stellte ich es auf die Arbeitsplatte, wischte sie mir an der Jeans ab.
»Cris, ich …«, setzte ich im selben Moment an, in dem er »Was gestern Abend passiert ist, tut mir leid« sagte.
Ein paar Sekunden herrschte Schweigen. »Ist schon okay«, brachte ich endlich hervor.
Cris schnaubte. »Nein, ist es nicht. Ich habe dir deinen Tag verdorben.« Er verzog den Mund. »Oder besser: Wir. – Ich und Joaquín.« Sein Blick ging zu meinem Handgelenk, hob sich wieder zu meinem Gesicht. »Ist das von ihm?«
Irgendwie beklommen nickte ich. »Ja.«
Abermals verzog er den Mund. »Aha.« Es klang hart, bitter. In einer knappen Bewegung wies er mit dem Kopf hinter sich, zur Tür hinaus. »Joaquín hat den Lexus vollgetankt. – Heißt das, ihr macht dann heute diesen Ausflug, du und Joaquín?«
»Ja.« Wieder nickte ich. Warum fühlte ich mich mit jedem Wort von Cris unbehaglicher?
»Aha.« Wie zuvor: hart und bitter. »Du musst wissen, was du tust.« Sein Blick ging an mir vorbei. Irritiert drehte ich mich um.
Joaquín stand im Durchgang. In der Hand ein einfaches weißes Leinenhemd. Schlagartig schien es in der Küche eiskalt geworden zu sein. Über mich hinweg sahen sie einander an. Wortlos. Zornig. Sekunde um Sekunde. Ich war zwischen ihnen wie gefangen, konnte mich nicht rühren.
Ohne seinen Bruder aus den Augen zu lassen, hielt er mir nach einer schieren Ewigkeit das Hemd hin. »Hier, eins von
meinen. Es dürfte dir zu groß sein, aber wenn du die Ärmel aufkrempelst und es um die Taille knotest, sollte es gehen.« Noch immer schien meine Stimme irgendwo in meiner Kehle erfroren zu
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