Blutbraut
Blüten helle Tupfer vor ihrem Grün. Doch selbst sie hatten sich in den mageren bis nicht vorhandenen Schatten der wenigen Joshua Trees geflüchtet, die verloren in der vor Hitze flimmernden Sierra standen. Eine Hitze, die ich nur wie durch einen angenehm kühlen Luftzug spürte. Die ihm allerdings schon bald dunkle Schweißflecken auf sein Hemd malte.
Ein ums andere Mal ertappte ich mich dabei, wie ich die Stirn runzelte, während ich verstohlen zu ihm hinsah. Hatte dieser Rogier nicht gesagt, je weiter einer in seiner Veränderung zum Nosferatu war, umso weniger konnte er das Sonnenlicht
ertragen? Und hatte er mich nicht gefragt, ob seine Augen bereits farblos wie Diamanten wären und seine Fingernägel schon schwarz und rasiermesserscharf? Ersteres traf mit jedem Tag mehr zu. Seine Fingernägel … ich warf einen hastigen Blick auf die Hand, deren Daumen er nachlässig in die Hosentasche gehakt hatte … nein. Normal, soweit ich das erkennen konnte. Der rote Stein seines Siegelrings glühte in der Sonne. Der eingravierte Phönix schien sich zu bewegen. Und das mit der ›teuflischen Schönheit‹ konnte ich nicht wirklich beurteilen. Fakt war: Joaquín de Alvaro sah nun mal verboten gut aus. Noch besser als sein kleiner Bruder. Aber hatte ich nicht mehr als einmal gesehen, wie er unter dem Sonnenlicht zusammengezuckt war? Und jetzt marschierte er in der grellen Sonne vor mir her, während sie langsam immer höher stieg. Wie war das möglich? – Innerlich schüttelte ich den Kopf über mich selbst. Musste ich diese Frage tatsächlich stellen? Eigentlich nicht. Nicht, nachdem ich selbst jede Wette halten würde, dass es irgendetwas mit Magie zu tun hatte.
Wenn wir so etwas wie einem Pfad folgten, dann einem, den nur er sehen konnte. Zumindest bis wir die schmale Geröllrinne erreichten, die uns zwischen den von Wind und Sand glatt geschliffenen Felsen steil bergan führte. Ich war mir nicht sicher, was anstrengender war: die Steigung oder darauf zu achten, auf dem losen Untergrund nicht ins Rutschen zu geraten oder umzuknicken. Jetzt zumindest wusste ich, warum er auf Schuhen bestanden hatte, die über die Knöchel reichten. Jedes Mal, wenn ich mich rechts oder links der Rinne an einem der Felsen abstützte, zog ich die Hand so schnell wie möglich wieder zurück. Der Stein war heiß.
Immer wieder drehte er sich nach mir um, um sicherzustellen,
dass der Aufstieg mir keine zu großen Probleme bereitete und dass sein Tempo für mich o.K. war. Auf halber Höhe sah ich zurück. Der Geländewagen wirkte seltsam fremdartig zwischen den Ruinen. Die Sonne gleißte auf seiner Motorhaube.
Ein Stück über mir war er stehen geblieben, wartete auf mich. Erst als ich wieder zu ihm aufgeschlossen hatte, ging er weiter. Ebenso schweigend wie bisher folgte ich ihm. Mir war nicht nach Reden. Mein Mund war durch den feinen Sandstaub, den wir beim Gehen aufwirbelten, trocken genug. Und trotzdem musste ich insgeheim zugeben: Es machte mir Spaß, zwischen den Felsblöcken hindurch immer weiter nach oben zu steigen, die bizarr-schönen Maserungen in den Steinen zu bewundern und manchmal gerade noch den Schwanz oder sogar nur den Schatten irgendeiner Eidechse in mal mehr, mal weniger großen Spalten verschwinden zu sehen.
Irgendwann hatten wir die Geröllrinne verlassen und gingen direkt auf den Felsen. Ich über Joaquín, damit er mich halten konnte, sollte ich stolpern und nach unten abrutschen. Einige Male bewegten wir uns unter besonders steil aufragenden oder sogar überhängenden Felsen ein Stück weit in der Waagrechten, bevor wir weiter hinaufkonnten. An der ein oder anderen Stelle brauchte ich Hände und Füße, während er genau dieselbe beinah mühelos bewältigte. Trotz Rucksack. Um meinen Stolz nicht ganz den Bach runtergehen zu lassen, tröstete ich mich ab einem gewissen Punkt damit, dass seine Beine einfach länger waren als meine.
In regelmäßigen Abständen blieb er stehen, löste die Wasserflasche vom Gürtel und trank. Die Art, wie er mich dabei ansah … Schon nach dem zweiten Halt hatte ich ihn im Verdacht, dass er es nur tat, um dafür zu sorgen, dass ich ebenfalls trank.
Falls wir meinetwegen langsamer als geplant vorwärtskamen, ließ er es mich nicht merken. Die Schatten waren weitestgehend zu einem Nichts zusammengeschrumpft, als wir endlich die Kuppe erreichten.
Dahinter war … Felsen. Und noch mehr Felsen. Die abwärtsführten. Bis es ein paar Hundert Meter unter uns wieder aufwärtsging. Zumindest
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