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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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oft beobachtet hatte. Zu Anfang hatte ich angenommen, dass es Rosas Kreuz war, das er immer wieder umfasste. Inzwischen war ich mir nicht mehr sicher. Vielmehr schien es dieser längliche, schwarze Kristall zu sein, den ich daneben auf seiner Brust gesehen hatte, um den er wieder und wieder die Hand schloss. Warum wohl? »Es hat keine zwei Nächte gedauert, da hat er sie sich zurückgeholt. Eine verwöhnte, reinblütige Andalusierin. Und sie zieht das Leben bei ihm und der Herde hier im Cañon einer Weide mit Stall und bestem Futter vor.« Jetzt trat er endgültig unter den Felsen heraus, schob sich an mir vorbei, warf mir dabei einen Blick aus dem Augenwinkel zu. »Versteh einer die Frauen … Wobei man ihr zugutehalten muss, dass er vermutlich auch Andalusierblut in den Adern hat.«
    »Ist es nicht illegal, sich Wildpferde zu halten?« Meine Frage ließ ihn wieder stehen bleiben.

    »No. Aber dank eines gewissen Präsidenten ist es dafür seit einigen Jahren legal, sie abzuschießen.« Der Ärger war in seiner Stimme nicht zu überhören. »Mit ein Grund, weshalb ich keine Fremden hier haben will. Sie sind zwar alle geimpft, mit einem Transponder gekennzeichnet und tragen außerdem alle mein Brandzeichen, aber es gibt genügend schießwütige Idioten, die sich darum nicht scheren würden.« Er schüttelte den Kopf, als würde er versuchen, den Ärger aus seinen Gedanken zu vertreiben. »Genug davon. – Hier, die kannst du jetzt eigentlich wieder selbst tragen.« Der Themenwechsel kam so überraschend, dass ich einfach nur mechanisch nach der Wasserflasche griff, die er mir hinhielt. Erst einen Moment später hatte ich meine Gedanken wieder beisammen.
    »Und sie bleiben freiwillig hier?« Hatte ich nicht mal in einem Bericht gehört oder gelesen, dass Mustangs manchmal unglaublich weite Gebiete durchwanderten? »Oder gibt es einen Zaun?«
    »No, kein Zaun. Am anderen Ende des Cañons liegt ein Pfad, den sie manchmal nach draußen nehmen. Wir würden zu Fuß mindestens zwei Stunden brauchen, aber für sie ist das keine Distanz. Von daher können sie kommen und gehen, wie sie wollen. – Aber nach dem, was ich weiß, entfernen sie sich nie allzu weit von hier.« Er rückte den Riemen des Rucksacks auf der Schulter zurecht. »Hier ist die Herde in Sicherheit und hat alles, was sie braucht. Die alte Stute ist zu schlau, um eine solche Zuflucht einfach aufzugeben. Deshalb bleiben sie.«
    Irritiert schaute ich zu der Felsterrasse hinüber, auf der noch vor ein paar Minuten das gefleckte Pferd so aufgeregt herumgestampft hatte. Das war eine Stute gewesen? Nein, ich hatte ganz deutlich gehört, dass Joaquín immer wieder ›er‹ gesagt
hatte. Offenbar war ihm mein Blick auf die andere Seite nicht entgangen und vermutlich war auch mein Gesichtsausdruck eindeutig gewesen.
    »Die erfahrenste Stute führt die Herde. Er …«, mit einem Nicken wies er auf die gegenüberliegende Seite, »… ist ›nur‹ der Beschützer der Herde. – Wie ist es? Sollen wir weiter? Es ist noch ein ganzes Stück nach unten, und ich nehme an, du würdest lieber am Fluss und im Schatten essen als hier oben.«
    Eine rein rhetorische Frage. Wie meine Antwort ausfallen musste, war klar. Entsprechend wartete er sie auch nicht ab. Ich schlang mir den Riemen der Wasserflasche über die Schulter und folgte ihm. Dabei konnte ich froh sein, dass der Weg keine Stolperfallen oder größere Hindernisse aufwies. Denn meine Augen waren überall. Nur nicht auf ihm.
    Waren es weiter oben noch überwiegend Flechten gewesen, die selbst auf den schmalsten Kanten oder Spalten Halt – und vor allem Wasser – zu finden schienen und die an den ockerfarbenen Felsen entlangkrochen, wurde alles umso grüner, je tiefer wir kamen: Da waren die Büsche mit den kleinen weißen Blüten und ein paar Joshua Trees; dann Kakteen mit mehreren Inch langen Stacheln, aus deren flach-ovalen ›Blättern‹ große weißlich gelbe Blüten wuchsen; etwas, das für mich aussah wie zart violette Krokusse; an den Enden von hohen, dünnen, grünen Stängeln sprossen länglich schmale, rote Blüten … Und immer wieder blitzte dazwischen rötlich ockerfarbener Fels auf. Selbst an den wenigen flachen Stellen, die nicht aus Gestein waren, bestand der Boden nach wie vor überwiegend aus geröllig-trockener Erde, auf der es das Gras sichtlich schwer hatte.
    Die meiste Zeit folgte ich Joaquín einfach nur stumm den Pfad entlang in den Cañon hinab. Und staunte wie Alice nach
ihrem Sturz in das

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