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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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immer er mich noch nicht gebissen hatte: Ein zweites Mal würde ich garantiert nicht davonkommen. Ich musste weg. Sofort. Alles andere zählte für den Moment nicht.
    Möglichst leise ging ich zum Bett zurück. Was nicht schwer war. Der Teppich auf dem Boden war so dick, dass er jeden meiner Schritte schluckte.
    Ich trug noch die Sachen vom vergangenen Abend. Der Knopf meiner Jeans stand offen. Ich schloss ihn. Anscheinend
hatte irgendwer versucht, es mir ein bisschen bequemer zu machen. Wer? Cris? Dieser Rafael? Er? – Ganz egal! Das Bündel Geldscheine steckte nach wie vor in der hinteren Tasche. Dem Himmel sei Dank.
    Meine Schuhe standen am Fußende. Irgendwie höhnisch. Ich zog sie an, ohne mich zu setzen. Auf einem Sessel gegenüber dem Bett lagen meine Tasche und Jacke. Hastig schnappte ich mir beides.
    Als ich auf die Glastür zutrat, war der Lavendelduft plötzlich wieder in der Luft. Der Vorhang wirbelte mir entgegen. Ich schlüpfte an ihm vorbei und durch die Tür auf einen Balkon hinaus. Nein, kein Balkon. Offenbar war der erste Stock – zumindest auf dieser Seite – mehrere Meter vom Rand des Erdgeschosses zurückgesetzt gebaut, sodass eine Art Terrasse entstand. Weiß, rot und rosa blühender Oleander wechselte sich an ihrem Rand entlang in wuchtigen Terrakotta-Kübeln mit irgendwelchen Büschen ab, die ich nicht kannte. Dahinter ragte eine steinerne Balustrade aus gedrehten Säulen ungefähr hüfthoch. Ich warf einen kurzen Blick zum zweiten Stock empor. In den hohen Fenstern hinter mir spiegelte sich der erste Streifen feuriges Rot, der sich gerade am Horizont zeigte und den Sonnenaufgang ankündigte. An den Steinplatten hing noch die Kühle der letzten Nacht.
    Wachsam trat ich zwischen zwei der Kübel an das steinerne Geländer. Etwas, das man nur als Park bezeichnen konnte, streckte sich vor mir aus: Rasenflächen, eingefasst von niedrigen Hecken, immer wieder durchbrochen von blühenden Büschen, in einiger Entfernung scheinbar dicht an dicht stehende Bäume. Und das hier, in dieser Gegend. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, was es kostete, das alles zu bewässern. Aber
natürlich mussten sich die de Alvaros um Geld keine Gedanken machen.
    Ich legte die Hände auf den glatten Stein und spähte in die Tiefe auf der Suche nach irgendetwas, das für mich einen Weg nach unten bedeutete – und erstarrte. Am Fuß der Mauer befand sich eine weitere Terrasse, die nach ein paar Metern an einer flachen, lang gestreckten Treppe endete, die zu einem großen, von sandfarbenen Fliesen eingefassten Pool führte. Auf der einen Längsseite stieg ein Halbrund aus Stufen in das azurblaue Wasser hinein. Es war kristallklar. Eine einsame Gestalt zog darin ihre Bahnen – oder hatte es wohl zumindest bis eben getan, denn in genau diesem Moment hielt der Schwimmer auf die zweite Längsseite zu, stemmte sich aus dem Wasser und klaubte in derselben Bewegung, mit der er sich endgültig aufrichtete, ein Handtuch von den Fliesen. Wahrscheinlich mindestens einen halben Kopf größer als ich selbst, schlank und geschmeidig. Schwarzes Haar, glatt, nass und schwer, hing auf seine Schultern und noch ein Stückchen tiefer. Wie beiläufig fasste er es mit einer Hand im Nacken zusammen und drückte das Wasser heraus. Ich glaubte, das Klatschen der Tropfen auf dem Boden zu hören. Er ließ das Handtuch über seine Brust gleiten, seine Arme, sah dabei dem Sonnenaufgang entgegen, hatte mir den Rücken zugewandt. Etwas Dunkles war darauf … Ich blinzelte, bis ich erkannte: Schwingen! Er hatte mächtige Schwingen auf den Rücken tätowiert, die direkt aus seinen Schulterblättern zu wachsen schienen. Ihre oberen Bögen schmiegten sich bis zum Kamm seiner Schultern hinauf, während ihre krallenbewehrten Spitzen sich bis auf die Seiten seiner Oberschenkel hinabstreckten. Sie bedeckten seinen ganzen Rücken, bewegten sich mit seinen Bewegungen,
als seien sie mehr als nur in die Haut gestochene Farbe; wirkten im Spiel von Muskeln, Licht und Schatten beinah lebendig; als würden grau und ockerfarbene Schwingen tatsächlich durchscheinend über seinen Schultern liegen; Schwingen, die sich jeden Moment öffnen konnten, um das Wasser abzuschütteln, das über sie perlte.
    Dann drehte er sich um – schwarze Brauen zogen sich zusammen – und sah zu mir auf, als hätte er meinen Blick unvermittelt gespürt. Ich zuckte zurück. Er! Joaquín de Alvaro! Das Monster! Hatte ich tatsächlich jemand anderen erwartet? Seine Augen waren jetzt dunkel.

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