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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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nächste halbe Stunde im Wohnzimmer. Ich hoffe, du kommst. Falls nicht, werden wir reden, wenn ich zurück bin. – Und, Lucinda: Reden werden wir!«
    »Niemals!« Der Lavendelduft kitzelte mich in der Nase. Beinah hätte ich geniest.
    Ich glaubte, ein Seufzen zu hören. »Solltest du tatsächlich erst rauskommen, wenn ich fort bin …«
    Worauf du wetten kannst.
    »… zur Küche geht es rechts neben der Treppe. Der Kühlschrank ist voll mit allem, was du magst.«
    Woher wollte er wissen, was ich mochte?
    »Falls dir der Sinn nach Gesellschaft steht, wirst du dich noch drei oder vier Stunden gedulden müssen. Cris schläft gerne lang. – Ach ja. Wenn du dich mit dem Gedanken trägst davonzulaufen: Lass es! Ich kann außerhalb der Grenzen von Santa Reyada nicht für deine Sicherheit garantieren.« Heuchler! »Ich würde dich ungern zurückholen müssen. Und ich würde dich finden. Glaub mir.«
    Ja, klar. Ich verkniff mir die Frage, was er tun würde, falls er es doch musste. Stattdessen lauschte ich auf die Stille, die plötzlich wieder jenseits der Tür herrschte – auch noch nach Minuten. War er tatsächlich gegangen? Oder lauerte er lautlos draußen im Korridor. Endlich wagte ich es, mich auf das Bett sinken zu lassen und den Griff um die Scherbe zu lockern. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Eine halbe Stunde, hatte er gesagt, dann war ich mit Cris allein – Cris, der mich belogen und getäuscht hatte. Es hätte so vieles leichter gemacht, wenn ich zu ihm gehen und ihn um Hilfe bei meiner Flucht bitten könnte. Aber nach dem, was ich inzwischen wusste … Nein. Ich musste hier fort und ich konnte ihm dabei nicht vertrauen. Die Vorstellung,
ihn aufzugeben, tat weh. Aber eine andere Wahl hatte ich nicht. Oder? Ich starrte auf die Scherbe in meiner Hand. Vielleicht konnte ich mich ja wieder bei ihm melden, wenn ich ein neues Versteck gefunden hatte? Und sicher sein konnte, dass er mich nicht doch an seinen Bruder verriet.
    Ich schloss für eine Sekunde die Augen. Verdrängte die Gedanken. Zuallererst musste ich hier weg. Eine halbe Stunde, hatte er gesagt. So lange konnte ich mich gedulden. Und dann würde ich wieder verschwinden. Wenn ich Glück hatte, dachte Cris, sein Bruder hätte mich mitgenommen, und es würde erst auffallen, dass ich nicht mehr da war und brav darauf wartete, wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt zu werden, wenn das Monster zurückkam.
    Die Stille vor der Tür hielt an. Irgendwann konnte ich mich dazu durchringen, die Scherbe auf den Nachttisch zu legen. Mit einem gewissen Bedauern sah ich auf den Limonadenfleck auf dem Boden. Hätte ich es wirklich gewagt, davon zu trinken? Wäre ich tatsächlich das Risiko eingegangen, dass da vielleicht doch irgendetwas beigemischt war, das mich gefügig machen sollte? Sich jetzt noch darüber Gedanken zu machen, war müßig. Allerdings änderte es nichts daran, dass mein Mund wie ausgedörrt war. Aber gewöhnliches Leitungswasser konnte selbst er wohl kaum manipulieren, oder? Ich schaute noch einmal schnell zur Zimmertür, dann ließ ich meine Tasche zu Boden gleiten, stand vom Bett auf und ging ins Bad. Zuvor hatte ich seinem Inneren keinen zweiten Blick gegönnt. Doch diesmal sah ich mich um, während ich auf das Waschbecken zuhielt. Hell und freundlich; zweckmäßig, ohne besonders protzig zu sein. Sandfarbene Fliesen, die den Boden und – als eine Art unregelmäßiges Mosaik – die untere Hälfte der Wand bedeckten.
Dicke Flauschvorleger vor der gemauerten Dusche und einer Badewanne, die auf geschwungenen Füßen frei vor der Schmalseite des Raumes stand. Selbst als Tante María noch gelebt hatte, hatten wir uns nie eine Wohnung mit Badewanne leisten können. Der Anblick dahinter jedoch war pure Dekadenz: drei schmale Fenster, die vom Boden bis zur Decke reichten und sich auf eine scheinbar unendliche Sierra öffneten, über der die seltsam grell aufgehende Sonne die Luft bereits erbarmungslos zum Flimmern brachte. Rau, wild – und wunderschön.
    Einen Moment stand ich einfach nur da und sah hinaus in die Weite, dann riss ich meinen Blick davon los, lauschte wieder zur Tür hin – noch immer Stille –, trat ans Waschbecken und drehte den Hahn auf. Das Wasser war kühl und köstlich. In großen Schlucken trank ich aus der hohlen Hand. Bis ich meinem Spiegelbild zum ersten Mal etwas mehr Aufmerksamkeit schenkte. Erschrocken beugte ich mich vor, berührte meine Stirn mit den Fingerspitzen … Direkt am Haaransatz klebten zwei dieser

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