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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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hing noch immer auf mir.
    War das ein Trick?
    »Bleib, wo du bist, Lucinda! Du machst das gut. Bis Sonnenaufgang. Bleib, wo du bist!« Er flüsterte die Worte wie ein Gebet.
    Es musste ein Trick sein. Oder doch nicht? Ich schluckte. Der Ausdruck in seinen Augen hatte sich verändert. Das war nicht mehr der Nosferatu … Das war der Mann, der sich heute Mittag zwischen mich und einen wütenden Mustang gestellt hatte. Das Böse, der Wahnsinn war fort. Da war nur noch Qual. Oh mein Gott. Wie in Zeitlupe hob er die Hand, legte sie flach gegen die leere Luft. Der Bannkreis flammte darunter ein weiteres Mal auf. »Verzeih mir, mi vida.« Wieder kaum mehr als ein Bewegen der Lippen.
    Meine Hand streckte sich wie von selbst seiner entgegen. Und erstarrte mitten in der Luft, als er jäh den Kopf emporriss und zur Kirchentür sah. Seine Nasenflügel blähten sich. In der nächsten Sekunde fletschte er zischend die Fänge. »Da ist noch einer.«
    Ich zuckte abermals zurück, als er aufsprang und zur Tür hastete. Gleich darauf war er erneut in der Dunkelheit verschwunden und die Stille kehrte zurück. Und wurde von einem neuerlichen Heulen und Knurren zerrissen. Irgendetwas schlug von außen krachend gegen die Mauer der Kirche. Einmal, zweimal. Risse fraßen sich durch den Putz. Wieder ein krachender Schlag. Diesmal bröckelte der Putz, klatschte
in großen Stücken zu Boden. Erschrocken duckte ich mich. Ein wilder Schrei. Die ganze Kirche schien sich zu schütteln. Noch mehr Risse. Das Gebälk knarrte, ächzte, barst unter dem nächsten krachenden Schlag. Ich schrie, kauerte mich zusammen, riss die Arme über den Kopf, schlang sie darum. Holz und Stein polterte herab, schlug um mich herum auf. Der Bannkreis loderte über mir. Eine der Holzsäulen kippte, stürzte zwischen Steinbrocken und Mauertrümmer, Splitter flogen … Dann war es abermals still.
    Und blieb still.
    Nur sehr langsam traute ich mich, die Arme herunterzunehmen, aufzustehen. Träge rieselte Staub noch immer von dem herab, was vom Dach übrig geblieben war. Sonst rührte sich nichts.
    So dicht ich es wagte, trat ich an den Bannkreis heran. Lauschte.
    Nichts.
    »Joaquín?«, fragte ich nach einem weiteren Moment in die Stille hinein. Meine Stimme zitterte.
    Keine Antwort.
    Bebend holte ich Atem. Was war da draußen passiert? Waren es mehr als einer gewesen? Hatten sie auf ihn gewartet? Eine Falle? »Joaquín?!« Lauter diesmal. Und schriller.
    Wieder lauschte ich. Wieder keine Antwort. Ich rieb mir mit der Hand über die Stirn. Fahrig. Hektisch. Warum kam er nicht zurück? Ich drückte die Faust gegen meinen Oberschenkel. Die Heldin in einem Film hätte es gewagt, den Bannkreis zu brechen und nachzusehen, was geschehen war. Allerdings liefen die Heldinnen in solchen Filmen dann gewöhnlich den Bösen genau in die Arme. Und wurde vom Helden in letzter Sekunde
gerettet. Nur wusste ich nicht, ob es da draußen überhaupt noch etwas anderes außer ›den Bösen‹ gab. Also blieb ich, wo ich war. Im Inneren des Kreises. Auch wenn ich mich wie ein Feigling fühlte.
    Abermals holte ich Luft. Nicht weniger bebend als zuvor.
    »Joaquín?« Wie die ganze Zeit: nichts. Oh mein Gott.
    »JOAQUÍN!!!« Ich versuchte die Panik gar nicht zu verbergen. Und es war mir egal, wer sie hörte.
    Nichts als Stille.
    Bis draußen die Nacht mit ihren Geräuschen wieder erwachte.

26
    I ch hatte den Rest der Nacht zusammengekauert auf der Decke zugebracht. Angestrengt lauschend. Mich hektisch vor und zurück wiegend; vor und zurück. Immer wieder. Vor und zurück. Ein paarmal war es draußen von einer Sekunde zur nächsten wieder totenstill geworden. Zwei – oder dreimal hatte ich mir bei diesen Gelegenheiten eingebildet, Schaben und Knirschen zu hören, eine Bewegung auf der anderen Seite der Tür zu sehen. Doch weder Joaquín noch irgendeine andere Kreatur waren in die Kirche zurückgekommen.
    Irgendwann fanden die ersten Sonnenstrahlen ihren Weg zu mir herein. Die Elementargeister-Flämmchen vergingen in ihnen. Das Holz war beinah komplett zu Asche geworden.
    Langsam und steif stand ich vom Boden auf, schob den Dolch in seine Scheide zurück, vermied es, dorthin zu sehen, wo Césars Überreste liegen mussten. In meinem Inneren saß ein Zittern, das jede Sekunde auszubrechen drohte. Es hatte meine Hände erreicht, als ich mich endlich dazu durchringen konnte, Lücken in die Kreidelinien zu wischen, die Bannkreise von innen nach außen zu brechen; aus ihnen heraustrat. Mein Herz pochte

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