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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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schlossen sich fester um mich.
    Ich hockte auf dem Boden, als es vorbei war.
    »Alles in Ordnung?« Joaquín kniete neben mir, musterte mich besorgt.
    Ich nickte. Auch wenn ich noch immer am ganzen Körper zitterte. »Warum?«
    Er neigte den Kopf, griff behutsam nach meinen Händen, betrachtete ihre Flächen. »Warum was?«
    »Warum hast du mir nicht früher … gesagt … gesagt, was …«
    Sehr langsam hob er den Blick von meinen Händen. »Ich bin … nicht sicher. Ich glaube, ich hatte Angst, du würdest …
Hättest du mir denn geglaubt? Am ersten oder am zweiten Tag, nachdem Rafael dich hierher zurückgebracht hatte? Hättest du mir geglaubt, dass das alles nicht nur ein Trick ist? Hexerei, um dich dazu zu bringen, zu tun, was ich von dir will?«
    Einen Moment sah ich ihn an. Schließlich schüttelte ich den Kopf. Nein, ich hätte ihm kein Wort geglaubt. Warum tat ich es eigentlich jetzt? »Aber warum nicht danach? Als wir hier oben …«
    »Ich wollte es. Mehrmals. Aber irgendwie … habe ich immer wieder die richtige Gelegenheit verpasst. Und ich hatte Angst, du könntest mich hassen. Noch mehr hassen, als du es ohnehin schon getan hast. Weil ich dir deine Erinnerungen gestohlen habe. Damals. Auch wenn ich es nicht wollte. – Es tut mir leid.«
    Ich konnte nur nicken. »War es das, was du mich ›selbst sehen‹ lassen wolltest? Bevor der Wagen nicht angesprungen ist?«
    »Sí«
    Ich nahm es mit einem weiteren Nicken zur Kenntnis. Das Zittern wollte nicht nachlassen. Wenn er meine Hände nicht in seinen gehalten hätte, hätte ich wieder einmal die Arme um mich geschlungen. Stattdessen sah ich ihm dabei zu, wie er sie behutsam in eine Hand nahm, ein Taschentuch hervorzog, es mit einer Hand und den Zähnen in zwei Teile riss und die um meine Handflächen schlang. Wortlos. Hockte einfach nur weiter am Boden. Auch als er fertig war, dauerte das Schweigen an. Bis er es brach.
    »Da ist noch etwas …« Ein bisschen umständlich stand er auf, eine Hand für einen Augenblick auf der Seite, zog mich dann behutsam ebenfalls in die Höhe, bedeutete mir, ihm zu dem Arbeitstisch in der Ecke zu folgen. Unter dem er eine kleine Kiste hervorholte. Er stellte sie auf den Tisch, als wäre etwas
sehr Zerbrechliches darin, nahm mit einem »Das gehört dir!« den Deckel ab und machte einen Schritt beiseite.
    In der ersten Sekunde wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Oder denken. Schließlich gab ich mir einen Ruck, trat weiter heran und spähte hinein.
    Zuoberst lag ein schmutzig graubrauner Stoffbär. Mit einem scharfen Laut holte ich Luft. Die Erinnerung war schlagartig da. »Mr Brumbles!« Ich nahm ihn heraus.
    »Quichotte hat ihn zu seiner Decke geschleift, wann immer er ihn erwischen konnte«, sagte Joaquín leise. Der Schmerz in seiner Stimme war nicht zu überhören.
    »Einmal hat er ihn sogar aus meinem Bett gestohlen.« Meine Finger bebten, während ich die Stoffohren glättete. Mr Brumbles fest im Arm, schaute ich erneut in die Kiste … ein Stapel Kinderbücher; eine Mappe, in der ein Packen Buntstiftzeichnungen lag; ein kleines Schmuckkästchen; eine Spieluhr mit einer Primaballerina in silbernem Spitzenröckchen; ein schreiend buntes Tuch und … mehrere Fotoalben. Ich schlug das oberste auf. Auf der ersten Seite zwei Bilder, leicht versetzt übereinandergeklebt. Auf dem ersten: Ein kleines Mädchen mit schwarzen Haaren lachte in die Kamera und streckte dabei genau den Stoffbären in die Luft, den ich gerade im Arm hielt. Darunter stand: › Mr Brumbles. ‹ Auf dem zweiten: dasselbe Mädchen. Diesmal mit einem viel zu großen Hut auf dem Kopf, der ihr Gesicht beinah vollständig verbarg, auf dem Rücken eines scheinbar riesigen gescheckten Pferdes, das ein Mann am Zügel hielt, der sich offenbar nur mit Mühe ein Grinsen verbiss. Die Unterschrift hier: › Luz’und Mrs Monster. ‹.
    Plötzlich schien der Boden sich unter meinen Füßen zu bewegen. Im letzten Moment hielt Joaquín mich fest. Sein Griff
auf meinem Sonnenbrand tat weh. Ich spürte den Schmerz und spürte ihn doch nicht, während ich umblätterte, konnte den Blick einfach nicht von den Bildern lösen. Dasselbe Pferd, dasselbe Mädchen. Auf einem Küchenstuhl, damit beschäftigt, die lange Mähne in winzige Zöpfe zu flechten, während das Pferd geradezu angewidert ob ihres Tuns in die Kamera blickte. Beauty Queen(s), stand darunter. Mein Zittern wurde immer schlimmer. Ich öffnete den Mund, schloss ihn wieder, brachte keinen Ton heraus. Meine

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