Blutbraut
Hände gedrückt? Und das im absoluten Wortsinn? »Ich habe mich geschnitten. «
Er wickelte die Stoffstreifen ab, schnalzte mit der Zunge, schüttelte den Kopf. »Das sehe ich.« Wieder ein Kopfschütteln. »Seit du hier bist, bin ich häufiger auf Santa Reyada als jemals zuvor.«
»Das tut mir leid.« Ich versuchte, schuldbewusst dreinzuschauen.
Wieder ein Schnalzen, während er seine Tasche öffnete und neben einer Steinschale mit Mörser zwei Fläschchen aus dunklem Glas herausholte. »Versprich mir einfach, dass du in Zukunft besser auf dich aufpasst, Liebes.« Einen Moment zögerte er, schien darüber nachzudenken, ob er alles zu mir auf die Liege packen könnte, auf die Alben und Papiere, entschied sich dann aber offenbar dagegen und stellte die Sachen neben sich auf den Boden. »Oder dass du es zumindest versuchst.«
Nicht, dass er es nach morgen noch mitbekommen würde,
wenn es mir nicht gelang. Er quittierte mein gemurmeltes »Versprochen! « mit einem Nicken, gab irgendwelche Kräuter aus den Fläschchen in den Mörser und zerrieb das Ganze zu einem feinen Pulver. Als er fertig war, zeigte er mir, wie ich meine Hände halten sollte – flach ausgestreckt, mit den Handflächen nach oben –, und zeichnete mit der Fingerspitze auf jede ein Zeichen, das mich fast an eines der Siegel erinnerte, die Joaquín mir beigebracht hatte. Aber eben nur ›fast‹. Auf seltsame Art war es ›anders‹. Behutsam verteilte er anschließend das Pulver auf den beiden Schnitten.
»Nicht erschrecken jetzt. Und still halten«, wies er mich dann an und schnippte über meinen Händen einmal mit den Fingern, noch bevor ich fragen konnte, wovor ich nicht erschrecken sollte. Und auch wenn er mich ›gewarnt‹ hatte, zuckte ich zusammen, als das Kräuterpulver für eine Sekunde glomm und dampfte, ehe es in der nächsten zu einer dunklen, kühlen Masse auf den Schnitten geworden war. Mit offenem Mund starrte ich darauf. Selbst dann noch, als er meine Hände schon wieder mit etwas Mull verbunden hatte.
»Wasch dir in zwei Stunden die Hände mit klarem Wasser – klares Wasser, keine Seife! –, dann sollte nichts mehr zu sehen sein.« Er legte mir den Finger unters Kinn und klappte es zu. »Nicht, dass dir noch etwas hineinfliegt.« So ernst seine Miene war, das Grinsen in seiner Stimme war nur zu deutlich.
Ich räusperte mich. »Danke.«
»Ich schicke Joaquín die Rechnung.« Fernán zwinkerte mir zu. Plötzlich wirkte er gar nicht mehr so … gesetzt. Und deutlich jünger.
»Willst du das Geld bar oder kann ich auch mit Karte zahlen? « Ein raues Knurren.
Ich sah über Fernán hinweg. Joaquín stand am Rand der oberen Terrasse. Ich ertappte mich dabei, wie ich nach Unterschieden suchte; ob seine Augen noch heller geworden waren; ob mehr von dieser entsetzlichen Schönheit in seinen Zügen war … Ich war mir nicht sicher.
»Das darfst du dir aussuchen. – Verrätst du mir jetzt, was das heute Abend hier wird?« Noch in der Hocke drehte Fernán sich um.
»Wir brauchen Regen.«
»Wetterhexerei?« Fernán wischte den Mörser mit einem Tuch aus.
»Sí.«
»Ich muss dir nicht sagen, was ich davon halte. Vor allem heute.«
»No. Aber auch wenn du es würdest, würde es nichts ändern. «
»Ich könnte gehen und Soledad wieder mitnehmen.« Der Mörser verschwand in Fernáns Tasche.
»Könntest du. Wirst du aber nicht.«
»Weil du es auf jeden Fall tun wirst. Mit oder ohne Kreis.«
»Wie gut du mich doch kennst.«
Mit einem Seufzen schüttelte Fernán den Kopf, stand auf, ging mit einem Stück Mull in der Hand zum Pool hinüber und tauchte es hinein. »Das ändert nichts daran, dass ich es für Wahnsinn halte.« Er wrang es aus, während er zu mir zurückkam, beugte sich mit einem »Du erlaubst, Lucinda …« über mich und schrubbte erst an meiner einen Schläfe herum, dann an meiner anderen. Verwirrt hielt ich still. Als er sich wieder aufrichtete, war das Mullstück blutig … Natürlich. Ich hatte die Hände gegen den Kopf gepresst, als Joaquín mir meine Erinnerungen
zurückggeben hatte … Das Stück Mull folgte dem Mörser. Fernán schaute wieder zu Joaquín. »Was verlierst du, wenn du noch einen Tag wartest …«
»Heute Nacht! Und darüber diskutiere ich nicht. – ¡Buenas tardes, Soledad!« Joaquín drehte sich zu der jungen Frau um, die eben hinter ihm aus der Glastür getreten war, noch halb jemandem im Raum dahinter zugewandt. Neben mir knurrte Fernán etwas, das wie ›sturer Hund‹ klang. So leise,
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