Blutbraut
Hautkontakt mit Luz habt, verstanden?« Er sah Fernán und Cris an. Beide nickten. Cris nahm meine Hand vorsichtig in seine, darauf bedacht, dass die Tücher genau so lagen, wie sein Bruder gesagt hatte. Der steckte das überhängende Ende so, dass die Seide zwischen meinem Handrücken und Cris’ Fingern war. Das Glucksen brach ohne Vorwarnung
aus mir heraus. Ich hob die freie Hand. Wedelte mit ihr durch die Luft. Der Verband war nicht zu übersehen. »Ich glaube, ich bin auch so schon ziemlich gut isoliert.« Ich biss mir zu spät auf die Zunge. War ich jetzt schon so nervös, dass ich zu plappern anfing?
Joaquín hatte den Kopf gesenkt. Nicht schnell genug, als dass ich das Zucken um seine Lippen nicht gesehen hätte. Mein Herz machte einen Satz und erhöhte dann seine Schlagzahl noch ein Stück mehr. Und ich hatte keine Ahnung, warum.
Joaquín gab mir das andere Ende der zusammengedrehten Tücher in die zweite Hand und Fernán schloss seine darüber. Dann trat er zurück. Erst jetzt hob er den Blick wieder zu mir und abermals forschten seine Augen in meinen. »Du musst keine Angst haben«, versprach er mir erneut. »Ich werde den größten Teil der Mächte über die Seide lenken. Wie bei einem Blitzableiter. Das, was du spüren wirst, wird nur ein verschwindend geringer Bruchteil sein.«
Ich nickte, schluckte. »Wie wird es sich anfühlen? Wie ein Stromschlag oder so? Ich meine … nur damit ich es weiß.«
»Kein Stromschlag.« Joaquín schüttelte den Kopf, richtete einen Seidenzipfel zwischen meinem Daumen und Fernáns Handrücken. »Wie ein Kribbeln. Oder Wärme, die durch deinen Körper fließt. Vielleicht auch wie Regen auf der Haut. Auf jeden Fall nicht unangenehm.« Noch einmal suchten seine Augen in meinen. »Bereit?«, fragte er dann abermals.
Ich holte tief Luft und nickte erneut.
»Gut.« Er ging um Erde, Wasser und Kerze auf dem Boden herum, auf die andere Seite unseres ›Kreises‹, mir gegenüber. »Dann lasst uns anfangen. Die Nacht ist beinah schon zu weit fortgeschritten.«
Auch Rafael nahm seinen Platz ein. Zwischen Fernán und Joaquín. Fasste ihre Hände und ließ noch einmal die Schultern kreisen. Wie ein Baseballspieler vor seinem Wurf. Soledad, die nach wie vor auf der Terrasseneinfassung saß, kicherte.
»Und was glaubst du, was du da tust?«, erkundigte Joaquín sich bei ihr.
»Euch zusehen?«
»Bestimmt nicht. Ich schlage vor, du gehst ins Haus.«
Sie schob die Unterlippe vor, erhob sich aber. Wenn auch übertrieben umständlich. »Darf ich mich dann wenigstens in deiner Küche vergnügen und eine Kleinigkeit für euch zum Essen vorbereiten, damit ihr euch ein bisschen stärken könnt, wenn das hier vorbei ist? Ich würde mich ungern zu Tode langweilen. «
»Die Küche ist noch viel zu nah!«, protestierte Fernán.
Soledad setzte schon dazu an, ihm zu widersprechen, doch Joaquín ließ ihr nicht die Chance dazu. »Es ist am besten, du gehst ins Wohnzimmer und machst es dir dort bequem.« Dabei klang sein ›Vorschlag‹ mehr wie ein Befehl.
»Ins Wohnzimmer? ¡Madre de Dios!« Sie warf die Hände in die Luft. »Ihr betreibt Wetterhexerei und zündet keine Atombombe. «
»Das Wohnzimmer, Soledad. Jetzt.« Joaquíns Tonfall war reinste Liebenswürdigkeit.
Sie zog die Nase kraus, schnaufte. »Dann hoffe ich nur, dass ihr ein paar vernünftige Filme dahabt, damit ich mir die Zeit zumindest halbwegs angenehm vertreiben kann«, murrte sie, ging dann aber nach einem letzten erbosten Blick auf Joaquíns Rücken doch ins Haus. Sowohl Joaquín als auch Fernán schienen darauf zu lauschen, wie sich ihre Schritte entfernten.
Schließlich nickte Joaquín. »Dann lasst uns anfangen.« Er räusperte sich. Als er diesmal sprach, klang seine Stimme seltsam anders. Weicher und irgendwie … dunkler. Die kleinen Härchen in meinem Nacken stellten sich auf, während zugleich ein Kribbeln meinen Rücken abwärtsrann. »Kommt ihr aus freien Stücken und ohne Falsch in meinen Kreis?« Er sah jeden von uns an. Einen nach dem anderen. Jeder antwortete mit einem Nicken und einem »Ja, aus freien Stücken und ohne Falsch«. Mein Herz klopfte mit jeder Sekunde ein wenig schneller. Als die Reihe an mir war, kamen die Worte viel zu hoch über meine Lippen. Ich war wieder bei dem Mäusequietschen angelangt. Niemand lachte oder lächelte auch nur darüber. Nur Fernán drückte beruhigend meine Hand. Ganz leicht. Und Joaquín sah mir einen sehr langen Moment einfach nur in die Augen.
Als schließlich
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