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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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in Schlamm verwandelte; wie sie roch, wenn der Regen sie durchtränkte, wie dieser Geruch in die Luft stieg. Würzig, kühl, frisch, nach Erde und Regen. Und manchmal auch nach Sturm. Wie sich die Bäume schüttelten, sich unter den Böen bogen, in denen man den Regen wie hauchfeine Schnüre sehen konnte; wie sich die Blätter bewegten, auf und ab wippten, wenn sie von den Tropfen getroffen wurden, vor Nässe glänzten. Wie sich durchsichtige Perlen an ihren Spitzen sammelten und herabfielen, auf das nächste Blatt prallten, in zig kleinere Perlen zersprangen, die wieder zur Spitze rollten, sich zu einer neuen Perle sammelten, wieder herabfielen … Das Klatschen der Tropfen gegen die Scheiben; wie sie daran herunterflossen; nasse Bahnen malten … Wie sich Pfützen bildeten, immer größer wurden, zu kleinen Seen anwuchsen; der Regen das Gras niederdrückte, über die einzelnen Halme rann, sich zu Tropfen sammelte, die herabperlten. Ein Regenvorhang hinter einem leuchtenden Regenbogen. Wie sich das Prasseln der Tropfen auf der Haut anfühlte; wie sie auf der Zunge schmeckten, wenn man den Mund öffnete und sie hineinfallen ließ …
    Irgendwann musste ich die Augen geschlossen haben.
    Ein Kribbeln zupfte an meinen Händen. Zuerst hatte ich es kaum gespürt, doch dann war es nach und nach immer stärker geworden, zog durch meine Arme, meine Brust, kroch abwärts, in meine Beine, meine Füße.
    Und dann war da etwas Anderes.
    Dunkel.

    Mächtig.
    Alt.
    Rührte sich träge, stieg aus der Tiefe, aus dem Boden. Schwappte wie eine Welle von unten empor, drang durch die Terrakottafliesen der Terrasse, gegen meine Fußsohlen, pochend wie der Schlag eines riesigen Herzens. Strich über mich und durch mich hindurch. Streifte meine Gedanken.
    Moreira.
    Sanguaíera.
    Mein.
    Ja!
    Ich keuchte. Riss die Augen auf.
    Ein dumpfes, heiseres Grollen. Joaquín.
    Die Fliese, auf der ich stand, knackte und zerbrach.
    Der Wall aus Erde zwischen uns am Boden bewegte sich, bekam Risse, die sich wieder schlossen. Das Wasser in seinem Inneren schlug Blasen, brodelte, schien zu kochen. Die Kerzenflamme war so groß wie meine Hand, peitschte hin und her, leckte über das Wachs, knisterte, loderte immer wieder weiter in die Höhe hinauf. Der Wind fauchte, heulte und wirbelte; fegte über Erde und Wasser, zerrte an der Flamme. Doch das Entsetzlichste war Joaquín. Er starrte mich über Feuer, Erde, Wasser und Luft hinweg an, die Fänge gefletscht, den Wahnsinn und die Bösartigkeit der Nosferatu in den Augen. Unübersehbar. Zusammen mit etwas anderem. Irgendwann hatte sich sein Pferdeschwanz gelöst. Das schwarze Haar wehte ihm wild um den Kopf. Im nächsten Moment ging jäh ein Ruck durch seinen ganzen Körper; er warf den Kopf in den Nacken und brüllte. Ich schrie. Und dann war es mit einem Schlag vorbei. Auch das Andere war wieder fort.

    Sekundenlang stand ich einfach nur da und rang nach Luft.
    »Ihr verlasst meinen Kreis ohne Harm und Not.« Joaquíns Stimme war noch rauer und knurrender als zuvor. Ich verstand ihn kaum. Nicht, dass ich im ersten Moment überhaupt begriffen hätte, was er sagte.
    Fernán ging es anscheinend nicht viel besser. Er schien erschrocken. Und irgendwie … ratlos. »¡Madre de Dios!« murmelte er und schüttelte den Kopf. »¡Madre de Dios!«
    Die Art, wie Cris mich ansah, hatte etwas … Benommenes. Schockiertes.
    Auch Rafael wirkte atemlos, sein leises Lachen war irgendwie … gezwungen, ebenso wie das Grinsen, mit dem er mich bedachte. »Wow. Das war … besser als Sex.« Ich verbiss mir den Kommentar, dass ich leider noch keine Vergleichsmöglichkeiten hatte. Nicht, dass ich einen Laut hervorgebracht hätte. Ein Zittern steckte in meinen Knochen, das mich zerspringen lassen würde, wenn ich ihm erlaubte, sich weiter auszubreiten. Stattdessen knickten meine Beine ein und ich sank einfach zwischen Cris und Fernán auf den Boden. Meine Hände immer noch in ihren. Und hatte die Seidentücher auf Augenhöhe. Sie waren schwarz. Verbrannt. Oh mein Gott. Zu spät merkte ich, dass ich in einer Pfütze saß. Der Wall in der Mitte des Kreises war gebrochen und das Wasser hatte sich über die Terrasse verteilt. Zielstrebig in meine Richtung. Die Kerze war umgekippt. Viel mehr als ein Stummel war nicht von ihr übrig.
    Joaquíns Stimme ließ uns alle zusammenzucken.
    »Cris. Schaff Lucinda nach oben.« Er sprach mit gefletschten Fängen. Seine Augen hingen an meiner Kehle. Schlagartig waren meine Lungen ein harter Knoten.

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