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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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sie sich alle drei an. Durcheinander und gleichzeitig. Und sie kamen näher. Gleich darauf marschierte jemand lautstark durch die Halle und am Wohnzimmer vorbei. Dann krachte die Haustür so heftig zu, dass das Glasornament beängstigend klirrte, und ich sah Cris draußen durch den Regen laufen. Die Auffahrt hinunter. Abermals ein Wortwechsel in der Halle. Rafael und Joaquín. Zwar nicht weniger heftig als zuvor, dafür aber deutlich weniger lautstark. Wie immer auf Spanisch. Dann: Stille.
    Es überraschte mich nicht, dass Joaquín gleich darauf ins Wohnzimmer kam. Was mich überraschte, war, dass er die Reste meines Kuchenstücks dabeihatte. Einen Moment zögerte er, trug den Teller dann zum Tisch, stellte ihn darauf ab und ging erst jetzt zur Tür zurück, um sie zu schließen.
    Ich löste mich vom Fenster, setzte mich auf das Sofa, dorthin, wo er den Teller abgestellt hatte.
    »Ich dachte, da du keine Chance hattest, aufzuessen …« Er stand noch immer bei der Tür.
    Ich hätte den Teller mitnehmen können, wenn ich das gewollt hätte. »Mhm.« Ich schob die Hände zwischen die Knie,
sah ihn an. Sehr langsam kam er zu mir herüber und ließ sich mir gegenüber in den Sessel sinken. Sein Blick glitt über die Wachslache, die Glasstücke, den Teller. Mit zwei Fingern massierte er sich die Schläfe, stand dann abrupt wieder auf und ging zum Fenster. Demselben, an dem ich eben noch gestanden hatte. Doch anstatt hinauszuschauen, drehte er sich sofort wieder zu mir um.
    »Ich mach es kurz, Lucinda. Ich weiß, unser Deal war: 10 Tage, kein Fluchtversuch, dann lasse ich dich gehen und du bist mich für immer los. Aber könntest du dir vorstellen, noch ein paar Tage länger auf Santa Reyada zu bleiben?«
    Ich riss die Augen auf, hielt den Atem an, öffnete den Mund, um zu protestieren, zu sagen, dass er mir versprochen hatte, mich gehen zu lassen, mich heute gehen zu lassen – ich brachte keinen Ton heraus.
    Beschwichtigend hob er die Hände. »Ich werde dich nicht zwingen, länger hierzubleiben, wenn du es nicht willst. Keine Angst. Wenn du Nein sagst, bringe ich dich umgehend nach Los Angeles oder San Diego, aber …«
    »Ja.« Was? War ich von allen guten Geistern verlassen?
    Joaquín blinzelte. »Ja?«
    »Ja. Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich meine: warum? Und wie lange sind ›ein paar Tage‹?«
    »Warum?« Er wies nach draußen. »Es regnet in Strömen. Es kann gut sein, dass einige der Straßen unpassierbar sind. Und ich würde ungern das Risiko eingehen, mit dir im Wagen …« Er rieb sich den Nacken. »Bleib noch, bis es vorbei ist und das Wasser wieder abgeflossen ist. Dann bringe ich dich selbst zum Flughafen. Oder wo auch immer du hinwillst.« Ich presste die Knie fester zusammen. Mit meinen Händen dazwischen. Hätte
er das nicht schon vorher wissen müssen? Bedeutete das, dass alles ein abgekartetes Spiel gewesen war? Entweder das oder das Ganze war eine faule Ausrede.
    »Und wenn ich Nein sage? Oder es mir morgen anders überlege? Und von hier weg möchte?«
    »Dann werde ich dich nicht zwingen, hierzubleiben.«
    Das hatte er mir damals auch versprochen. Und trotzdem bat er mich, noch zu bleiben. – War das nicht der Punkt? Dass er fragte? Mich darum bat, anstatt einfach über mich zu bestimmen?
    »Gut.« Ich musste verrückt sein! »In Ordnung. Bis das Wasser wieder weg ist.«
    Sein Nicken wirkte geradezu erleichtert. »Bis das Wasser wieder weg ist. Nicht länger. Ich verspreche es.«
    Das hatte er schon einmal getan. Ich stand auf und ging zur Tür. Wortlos. Weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte.
    »Luz.«
    Die Hand schon am Türgriff, sah ich über die Schulter zurück.
    Er hatte sich keinen Inch vom Fenster wegbewegt. »Ich bin froh, dass du noch bleibst.«
    Ich biss die Zähne zusammen. Also doch eine faule Ausrede. Aber was gewann er, wenn ich noch zwei oder drei Tage länger blieb? – Ich wollte von hier fort. Daran würden auch ein paar Tage mehr nichts ändern. Oder daran, dass ich nach wie vor allein den Gedanken nicht ertragen konnte, dass er mir die Zähne in den Hals schlug, so wie er es letzte Nacht zuerst bei Cris und dann bei Rafael getan hatte. Es wäre nicht fair hierzubleiben, wenn ich ihm nicht geben konnte, was er wollte; brauchte.

    Ich drehte mich um und ging. Und verstand nicht, warum ich dabei Herzklopfen hatte.
     
    Der Paketbote, der zwei Tage später vor der Tür stand, hatte etwas von ›ersoffener Ratte‹. Ich hatte ihn nur durch Zufall mitbekommen, weil ich

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