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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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jeweils einen der altmodischen Degen, die in den oberen Stockwerken überall an den Wänden hingen, in die Hand zu geben und sie es ein für alle Mal ausfechten zu lassen, verwarf er gleich wieder. Weil es an ihm und mir hängen geblieben wäre, das Blut aufzuwischen. Aber das hier ging dann doch ein Stück zu weit.
    Ich hatte einen Verdacht, wo Joaquín sich bei seinen ›Fluchten‹ jedes Mal abreagierte, bevor er zu mir zurückkam: der Sandsack in seinem Zimmer. Die hämmernden Beats, die jenseits seiner Tür dröhnten, bestätigten mir meinen Verdacht.
Spätestens die klatschenden Geräusche, die zu mir drangen, als ich die Tür nach viermaligem, vergeblichem Klopfen vorsichtig aufstieß, hätten keinen Zweifel mehr zugelassen. Seit dem Tag, als ich mich nach unserem Zusammenstoß mit den Nosferatu zu ihm aufs Bett geflüchtet hatte, war ich nicht mehr hier gewesen. Es fühlte sich seltsam an.
    »Joaquín?« Es wäre nicht nötig gewesen, irgendetwas zu sagen. In der Sekunde, in der die Tür endgültig aufgeschwungen war, hatte er sich zu mir umgedreht. Mitten in einem Schlag. Jetzt stoppte er das Hin-und-Herpendeln des Sandsacks mit beiden Händen. Das Rot der Bandagen war schon ziemlich ausgebleicht. Sein Oberkörper war nackt. Die Spuren der Krallenwunden an seiner Seite noch immer deutlich zu sehen. Die Schwingenkrallen schienen sich im Spiel seiner Muskeln unruhig über seinen Schultern zu bewegen. Er keuchte, war schweißgebadet. Selbst der Bund seiner bedenklich tief sitzenden Trainingshose war durchweicht. Das erklärte, warum er nach jeder seiner ›Fluchten‹ frisch geduscht zu mir zurückkam. Wie schaffte er es, zuzuschlagen, ohne sich dabei selbst die Krallen-Fingernägel in die Handflächen zu bohren?
    »Luz? Ist irgendetwas?« Er machte einen Schritt auf mich zu, wischte sich mit dem Handrücken Schweiß von der Stirn. Einer seiner ›Nachtkristalle‹ glänzte neben Rosas Kreuz auf seiner Brust.
    Ich riss meinen Blick los. Schüttelte den Kopf. »Nein. Entschuldige. Ich wollte nicht stören. Das hier …«, ich hob das Päckchen, »… ist gerade für dich gekommen. Ich stell es …«, hastig sah ich mich um. Aha, ja! »… hier auf den Schreibtisch.«
    Ich ging hinüber zu dem eleganten Möbel aus Stahl und Glas. Ein Sammelsurium aus Papieren, Ausdrucken, Mappen
war darüber ausgebreitet. Ein Laptop stand offen auf der Platte. Grüne Zeichenkolonnen regneten als Bildschirmschoner über den Schirm. Auch wenn ich mit kaum jemandem besonderen Kontakt pflegte: Seit ich hier war, hatte ich keine E-Mails gelesen; oder war überhaupt im Internet gewesen.
    Hinter dem Schreibtisch stand schräg dem Raum zugewandt ein Gemälde auf einer Staffelei. Eine Frau, nicht älter als dreißig, allerhöchstens fünfunddreißig. Und wunderschön. Ein Blick genügte und ich wusste, wer sie war: Juana de Alvaro. Joaquíns und Cris’ Mutter. Der Wind schien mit ihrem modisch kurz geschnittenen Haar zu spielen. Im Ausschnitt ihrer Bluse schimmerte Rosas Kreuz. Ihr Lachen und das Blitzen ihrer schokoladedunklen Augen hätten zu einem Schnappschuss gepasst, aber nicht zu einem Ölgemälde. Plötzlich wünschte ich, ich hätte sie kennengelernt. Jetzt war auch klar, nach welcher Seite Joaquín schlug. Sie hätten einander niemals als Mutter und Sohn verleugnen können. Dazu sah er ihr viel zu ähnlich.
    Das Ratschen eines Klettverschlusses. Joaquín kam durch den Raum auf mich zu. Ein Handtuch hing um seinen Nacken. Eben war er dabei, die Bandage von seiner rechten Hand zu wickeln.
    Ich fühlte mich unter seinem angespannten Blick wie ertappt. »Ist das deine Mutter?«
    »Sí.«
    »Sie ist wunderschön.« Ich stellte das Päckchen auf die vordere Schreibtischecke, räusperte mich. »Darf ich mal kurz an deinem Laptop ins Netz …« Vielleicht hätte ich früher schon mal fragen sollen? In der gegenüberliegenden Ecke lehnte eine Gitarre in einem entsprechenden Ständer. Bei den Wirbeln standen die Saitenenden nach allen Seiten ab.

    »No!«
    Erschrocken blieb ich stehen, schon halb um den Schreibtisch herum. Joaquín kam jetzt schneller auf mich zu. Die Bandagen schien er mit einem Mal vergessen zu haben. Mein Blick zuckte zum Laptop; blieb auf etwas hängen, das aufgeschlagen danebenlag. Und auf dem mein Name stand: eine Mappe mit einem Stapel Papier darin. Auseinandergefächert. Berichte. Testergebnisse. Ich kannte das Logo in der oberen Ecke. Ich hatte es über Wochen immer wieder auf den Taschen der weißen Kittel

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