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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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immer nur in Trainingshosen, hatte sich nicht die Mühe gemacht, irgendetwas überzuziehen. Die eine Bandage nach wie vor nur halb von seiner Hand abgewickelt. Das Ende baumelte lose herab. Seine Wange war feuerrot. Der Abdruck darauf nicht zu übersehen. Ich hatte ihm direkt ins Gesicht geschlagen.
    »Darf ich reinkommen?«
    Ich trat zurück, machte ihm Platz, sah ihn dabei feindselig an. Direkt hinter der Tür blieb er wieder stehen. Zögernd.
Unschlüssig. Wartete, bis ich sie wieder geschlossen hatte. Wortlos wies ich auf das kleine Sofa zwischen Sekretär und Terrassentür. Auf diese Weise war er nicht zwischen mir und der Zimmertür, konnte mir den Fluchtweg nicht abschneiden.
    »Danke.« Er ging hinüber, setzte sich. Ich zog mich auf das Fußende meines Bettes zurück. Rosa flatterte zwischen uns hin und her.
    »Rede!«, verlangte ich und wunderte mich selbst darüber, wie kalt meine Stimme dabei klang.
    Abermals zögerte er, schien zu überlegen, was er mir sagen sollte, senkte für einen Moment den Kopf, massierte sich mit Mittel – und Ringfinger die Schläfen – das lose Bandagen-Ende folgte seinen Bewegungen –, sah schließlich mit einem kaum hörbaren Seufzen zu mir.
    »Also? Und erzähl mir nicht, dass du das über deine Spiegel weißt. Da gab es keine. Zumindest nicht für Patienten.« Nichts an meinem Ton hatte sich verändert. Der Vorhang vor der Terrassentür bauschte sich leicht. Rosa. Ich ignorierte sie.
    Joaquín holte tief Luft und stieß sie wieder aus. »Im Krankenhaus direkt … danach hast du meinen Namen genannt.« Ich runzelte die Stirn. Er sah auf seine Hände, sah mich wieder an. »Offenbar hatte man dir etwas zur Beruhigung gegeben und eine Schwester hat dich gefragt, was denn geschehen ist. Sie wollte dich nur trösten. Nach den Krankenhausakten hast du wirres Zeug von Vampiren und Nosferatu erzählt, dass einer deine Tante getötet und auch dich gebissen hat. Du hast trotz der Medikamente immer wieder etwas wie ›Tante María, nein!‹ geschrien und mehrfach meinen Namen genannt. Papiere hattest du keine. Sie haben mich angerufen. Vermutlich haben sie gehofft, ich würde dich kennen und ihnen deinen Namen
sagen. Und dass ich die Krankenhausrechnung übernehmen würde. Vielleicht hatten sie auch den Verdacht, ich hätte dir das alles angetan.«
    Ich verzog den Mund. »Du hast ihnen meinen Namen gesagt. Und weiter? Warum hast du mich in ein Irrenhaus einsperren« – bei den beiden Worten zuckte er zusammen – »und nicht direkt hierherbringen lassen?«
    »Ich … konnte nicht. Ich hätte dich nicht … beschützen können.«
    Er? Mich nicht beschützen können? Lächerlich. »Wieso nicht? Und wieso hättest du mich überhaupt beschützen müssen? Hier.«
    Wieder sah er auf seine Hände. »Was weißt du noch von dem, was damals geschehen ist? Wie du aus Malakais Versteck herausgekommen bist? Wie du ins Krankenhaus gekommen bist?« Er hob den Blick zu mir.
    Unwillkürlich schlang ich die Arme um mich. »Ich weiß noch, wie er Tante María getötet hat. Und mich dann …« Ich verstummte. Tante María, die geschrien hatte, gefleht und gebettelt hatte … Ich schloss die Augen, schüttelte den Kopf, öffnete sie nach einem Moment wieder. »Ich weiß nicht, wie ich da weggekommen bin. Oder ins Krankenhaus.«
    »Ich schon«, sagte er leise.
    Mein Atemzug war ein scharfes Zischen. »Woher?«
    Abermals sah er auf seine Hände. »Ich war da.«
    Mir blieb der Mund offen stehen.
    »Ich war da, Lucinda«, wiederholte er. »Ich habe dich ins Krankenhaus gebracht.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, starrte ihn sekundenlang einfach nur an, schüttelte schließlich erneut den Kopf.
»Das kann nicht sein. Wenn du … warum bist du nicht einfach geblieben?« Aber woher sonst sollte er wissen, wer der andere gewesen war?
    Etwas wie Qual huschte über seine Züge. »Ich konnte nicht. Ich hätte dich in Gefahr gebracht. Ich konnte dich nur für die anderen wieder verschwinden lassen, bevor noch mehr aus ihren Löchern gekrochen kamen, und dann irgendwie eine falsche Spur legen. Denn auch wenn sie dich nicht mehr aufspüren konnten, für mich galt das nicht. Und um ein zweites Mal diese Siegel zu weben … dafür hat meine Kraft damals nicht mehr gereicht.«
    Für eine schiere Ewigkeit saß ich wie gelähmt, dann brach es aus mir heraus. »Rogier … er hat gesagt, jemand würde die Hand über mich halten, hätte mich bisher vor allen verborgen. Aber er konnte nicht sagen, wer es war, weil er

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