Blutbraut
silbrig glänzenden Kreditkarte und Shoppen auf dem Rodeo Drive? Mit Blicken von Fremden, bei denen ich mich fragte, ob ich mich gerade irgendwie danebenbenommen hatte? Ich atmete einmal tief ein und stieß die Luft wieder aus, warf das Handtuch in den Korb, verließ den Waschraum und ging zu Cris zurück.
Er saß entspannt zurückgelehnt an unserem Tisch und beobachtete anscheinend gelangweilt den Verkehr auf dem Wilshire Boulevard. Als ich wieder auf meinen Stuhl glitt, riss er
den Blick von Autos und Passanten los und sah mich an. Verzeihung heischend.
»Ich fürchte, ich habe dir zu viel versprochen. Das mit der Party …«, er beendete den Satz nicht, hob stattdessen die Schultern. »Es tut mir leid.«
»Muss es nicht.« Keine Party, kein Streit mit Joaquín. Fast hätte ich erleichtert aufgeatmet.
Cris schnitt eine Grimasse, widersprach mir aber nicht. »Was möchtest du jetzt tun?«
Für die Antwort auf diese Frage musste ich nicht lange überlegen. »Wäre es sehr schlimm, wenn wir deinen Kofferraum und den Rücksitz nicht noch mehr mit Tüten und Taschen vollstopfen? « Cris neigte den Kopf, sah mich abwartend an. »Ich würde gerne an den Strand fahren; spazieren gehen; in der Sonne sitzen …« Ich hielt inne, weil ich mir plötzlich entsetzlich dumm vorkam. Cris hatte mich zu einem Shoppingtrip hierhergebracht und ich wollte am Wasser spazieren gehen.
Einen sehr langen Moment sagte er nichts, doch dann nickte er, stand auf und streckte mir über den Tisch hinweg die Hand hin. »Lass uns aber nicht nach Venice Beach fahren, sondern nach Santa Monica. Da könnten wir nicht nur am Strand spazieren gehen, sondern auch eine Runde über den Pacific Park auf dem Pier drehen.« Plötzlich war wieder dieses Grinsen auf seinem Gesicht. »Zuckerwatte, Karussell, Riesenrad …«, lockte er und zog mich zugleich zwischen den Tischen hindurch zur Straße und weiter in Richtung seines Porsche. Kein Kellner kam uns protestierend hinterhergerannt. Offenbar hatte er meine Abwesenheit genutzt, um unsere Rechnung zu bezahlen.
Keine halbe Stunde später stand ich bis zu den Knöcheln im Wasser und streckte das Gesicht der Sonne und dem Wind entgegen, der von der See in die Santa Monica Bay hereinwehte. Die Sandalen baumelten von meinen Fingerspitzen. Nur gedämpft klang Karussell-Musik vom Pier bis hierher. Ein paar Meter links von uns versuchte eine Mutter ihren schrill protestierenden Sohn davon zu überzeugen, dass es Zeit war, nach Hause zu gehen. Ich spürte Cris hinter mir, in sicherer Entfernung zum Wasser. Seine Hosenbeine waren bis knapp unter die Knie hochgerollt. Und dank einer besonders hohen Welle trotzdem schon nass von Salzwasser. Er war verwirrend still. Ein Stück weiter Richtung Pier spielte ein junger Mann mit seinem Hund Frisbee. Das weiß-schwarze Tier holte die gelbe Scheibe jedes Mal mit einer Begeisterung aus der Luft, die mich an Jasper erinnerte. Er hatte sich auch immer mit so viel absolutem Spaß auf das Plastikding gestürzt. Ein paarmal hatten seine Zähne sogar Löcher darin hinterlassen. Wann immer es möglich war, hatte ich für ihn ein bisschen extra Zeit herausgeschlagen, war ich mit ihm spazieren gegangen, hatte mit ihm Frisbee gespielt oder mit ihm einfach nur in seinem Zwinger gesessen und ihm die Ohren gekrault und ihn gestreichelt. Allerdings hatte Jasper kein kurzes, glattes Fell, sondern war ein graues, struppig-seidiges Wesen, das vermutlich die Gene von mindestens einem Dutzend Rassen in sich vereinte. Ob er inzwischen ein neues Zuhause gefunden hatte? Ich wünschte es ihm von ganzem Herzen – obwohl ich mir immer wieder ausgemalt hatte, wie es sein würde, ihn selbst zu adoptieren. Nur dass es in meinem Leben keinen Platz für einen Hund gab. Jasper brauchte ein richtiges Zuhause, in dem er bleiben konnte, niemanden, der immer wieder seine Sachen packen und verschwinden
musste. Und am Ende in einer Wohnung landete, in der gar keine Tiere gehalten werden durften.
Der Hund tanzte laut bellend um sein Herrchen herum, um seinem Zweibeiner klarzumachen, dass er ihm das Frisbee endlich wieder werfen sollte.
Wie Jasper. Cris stand noch immer schweigend hinter mir. Ich drehte mich um.
»Alles in Ordnung?«
Anscheinend hatte er die ganze Zeit über mich hinweg aufs Meer hinausgeschaut. Jetzt senkte sein Blick sich zu mir. Ein Lächeln glitt über seine Lippen. Nur ganz kurz. Irgendwie … bedrückt.
»Cris? Stimmt etwas nicht?« Ein leises Gefühl der Unruhe machte sich in
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