Blutengel: Thriller
quer.
Vom Fahrstuhl her drang ein Geheul an sein Ohr. Neugierig drehte Weitz sich um und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Da tanzte tatsächlich der mit zwei Plastiktüten bewaffnete Sienhaupt auf ihn zu. Heilige Heerscharen des Himmels, dieser Mangold ließ auch nichts aus. Was hatte der Typ hier zu suchen? Fröhlich hüpfte Peter Sienhaupt auf ihn zu. Er würde ihn doch nicht … doch es war zu spät, sich in Deckung zu bringen.
Sienhaupt wirbelte die beiden Plastiktüten in die Höhe und umschlang seinen Hals. Weitz stieg sofort wieder dieser Geruch in die Nase. Die mausgraue Trainingsjacke von Sienhaupt schlackerte um seinen Körper, sein kariertes Hemd war schief zugeknöpft. Weitz versuchte sich zu lösen und sah in die strahlenden Augen von Sienhaupt, der beharrlich seine Stirn fixierte. Die goldene Brille saß schief auf seiner Nase und drohte herunterzufallen. Und tatsächlich, die Brille rutschte über seine schweißglänzende Nase und wurde von dem Savant aufgefangen.
»Er mag Sie«, sagte Sienhaupts Schwester, die mit einem kleinen Koffer hinter ihrem Bruder stand.
»Sieht so aus«, sagte Weitz. »Ihm fehlt ein Kumpel.«
Sienhaupt heulte vor Vergnügen auf und zog Weitz den Flur entlang zum Konferenzraum.
Etwas Wichtiges musste es schon sein, sonst hätte Mangold nicht einen derartigen Druck bei der Internen gemacht. Ja, er war sicher, dass Mangold das Verhör entscheidend abgekürzt hatte. Genau wusste er es nicht, aber dieser Anruf, den Schiermacher während des Gesprächs geführt hatte, das musste der Chef gewesen sein.
Da keiner der Kollegen es sah, tat er Sienhaupt den Gefallen und ließ sich von ihm in den Konferenzraum ziehen.
Dieser Spasti ließ ihn nicht mal los, als er sich mit aller Kraft gegen die Tür warf. Er musste vergessen haben, dass sie sich nach außen öffnen ließ.
Überrascht sahen Kaja Winterstein und Tannen von ihren Schreibtischen auf. Was für ein Einstieg! Tannen grinste, als würde ihm jemand die Eier kraulen. Und auch Kaja Winterstein sah ihn amüsiert an.
»Haben Sie einen neuen Aufpasser?«, fragte sie, und Peter Sienhaupt antwortete mit einem lauten Wiehern. Dann schüttelte er noch einmal die Hand von Weitz und stürmte auf seinen Sofatisch zu. Er stellte sich vor den knallroten Knautschsack, hüpfte vor Begeisterung kurz in die Höhe, hüpfte noch einmal und ließ sich in den Sack fallen.
»Hat jemand eine Ahnung, was das soll?«, fragte Weitz.
Tannen nahm einen Stapel mit Kopien von seinem Tisch und streckte ihn Weitz entgegen.
»Arbeit«, sagte er. »Arbeit.«
*
»Mörder fangen sich selbst«, sagte Hensen. »Das ist ihr Finale.«
»Mag sein«, erwiderte Mangold und schaltete in den fünften Gang. »Aber wir sind nun mal Bestandteil dieses Spiels. Hast du dich entschieden?«
»Mitzumischen? Keine Ahnung. Wenn es einen Augenzeugen gibt, dürfte sich die Sache erübrigen.«
»Glaubst du wirklich, du musst in deinem Alter durch die Hinterhalte von Afghanistan fahren und durch den Wüstensand robben?«
»Ich muss was für die Rente tun.«
»Du meinst für die Entlastung der Rentenkasse. Abschießen lassen kannst du dich auch hier.«
Mangold überholte einen Lastwagen, auf dessen Plane für Tiefkühlkost geworben wurde. Leichter Dunst lag über den sich in der Ferne verlierenden Feldern. Vereinzelt ragten Bäume hervor. Geschätzte zwei Stunden noch bis Berlin. Vorausgesetzt, sie wurden nicht durch einen Stau aufgehalten.
Links und rechts der Autobahn tauchten immer wieder Raststätten mit angeschlossenen Kinderspielplätzen auf. Vereinzelt saßen Menschen unter den aufgespannten Sonnenschirmen und schlürften Kaffee oder Kaltgetränke. Auch zahlreiche Reisebusse hatten ihre Fracht für eine kurze Rast auf den Parkplätzen ausgespuckt.
Während Hensen auf dem Beifahrersitz mit geschlossenen Augen vor sich hindämmerte, dachte Mangold über ihre Situation nach. Selbst wenn sie den Täter mithilfe des plötzlich aufgetauchten Augenzeugen rasch dingfest machen würden, es bliebe die Frage, was Wirch mit der Wiedereinsetzung der Sonderkommission bezweckte. Es gab Fachabteilungen in den Landeskriminalämtern, und selbst auf Bundesebene waren in den letzten Jahren Expertenteams zum Bereich Serienmord zusammengestellt worden. Wieso diese »Ehre« für seinen bunt zusammengewürfelten Ermittlerhaufen? Gut, Kaja war eine ausgewiesene Profilerin. Mit wenig Erfahrung in der Polizeiarbeit, dafür aber einer fundierten Ausbildung. Seine Assistenten Tannen
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