Blutengel: Thriller
fragst seinen Partner.«
»Weitz?«
»Von dem nimmt er jederzeit Aufträge entgegen. Seitdem Sienhaupt Binkel und Nicolai als Beuys-Schüler …«
»Seitdem?«
»… sind die beiden ganz dicke. Wenn Weitz anruft oder ihm eine SMS schickt, fällt ihm vor Begeisterung die Brille runter.«
»Wo steckt Weitz eigentlich? Er geht nicht an sein Handy.«
Ein Signal verkündete, dass die Lötmaschine mit der Reparatur des Motherboards fertig war.
»Der ist dein Problem«, sagte Riehm. »Zeit fürs Bonbon. Ich wollte dich gleich nach meiner Operation anrufen.«
»Nicht noch eine Untergangsmeldung.«
»Unser Master of the Universe hat herausgefunden, dass unser guter Clemens Carolus früher einen anderen Namen hatte. Er hieß Arnfried Müller, und dieser Arnfried Müller hat eine wirklich interessante Vergangenheit.«
*
Sollte er die Galeristin zum Essen einladen? Weitz war unentschieden. Ja, da hatte was geknistert zwischen Marlit und ihm. Sah gut aus, die Frau. Redete zwar eine Menge Müll, aber das war berufsbedingt. Gut möglich, dass sie sich auch in seiner Welt zurechtfand. Sie war ja regelrecht zerflossen, als er von seiner Arbeit erzählte.
Später. Jetzt musste er erst einmal an dem Zipfel ziehen, den er in den Händen hielt. Und zwar kräftig. Sollten sie sich im Team doch alle zu Affen machen. Nicht mit ihm. Auch Sienhaupt hatte ihm noch einmal bestätigt, dass Binkel und Nicolai gemeinsam in eine Art Künstlerklasse gegangen waren und dass ihr Lehrer mit Filz zu tun hatte. Filz, wie sie ihn auch am Niendorfer Tatort an der Ostsee gefunden hatten.
Die beiden Vögel hatten sich die Drecksarbeit geteilt. Wollten mit ihren Morden groß rauskommen. Amüsierten sich in diesem Essensraum für Beknackte darüber, dass sie die Menschheit zum Narren hielten.
Weitz parkte in der Lieferanteneinfahrt vor dem Gebäude und sprang aus dem Wagen. Er fuhr mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock und lief eilig den Flur entlang. Niemand zu sehen. Hatten die Irren Wandertag oder was? Weitz öffnete die Tür zu einem Patientenzimmer. Ein älterer Mann mit wirren Haaren lag im Pyjama auf seinem Bett und sah ihn an.
Weitz trat auf ihn zu, sagte: »Tut mir leid, Kumpel, is aber für ‘ne gute Sache.« Dann schlug er dem Mann auf die Kinnspitze. Der Kopf sackte zurück in das Kissen. Weitz wuchtete den Mann hoch und trug ihn in den Speiseraum. Neben den Thermoskannen mit Tee legte er ihn vorsichtig auf den Boden. Anschließend huschte er zurück in den Flur und klopfte energisch gegen die Scheibe der gläsernen Loge. Die Schwester, die er schon beim letzten Mal gesprochen hatte, kam aus einem der hinteren Räume.
»Sie schon wieder?«
»Ich muss mit Ihnen reden.«
»Wir haben hier kein Kleinkalibergewehr, und Herr Binkel hat auch keine ausgedehnteren Urlaubsfahrten unternommen. Ich habe jetzt zu tun.«
»Sie haben mit mir zu tun. Und für Behinderung einer Morduntersuchung kann man in den Knast kommen. Wie würde Ihnen das gefallen, die ganze Sache mal von der anderen Seite zu betrachten?«
»Das hier ist kein Knast.«
»Fein. Zu Binkel. Ist er im Haus?«
»Sicher, in seinem Zimmer.«
»Jetzt mal unter uns Betschwestern. Könnte er zumindest Tagesausflüge machen, ohne dass Ihnen das auffällt?«
»Also ich habe doch bereits gesagt …«
»Wäre es theoretisch mit ein wenig Trickserei möglich?«
»Wenn er nicht zur Therapie gehen würde und wir darüber nicht informiert würden, oder eben nachts …«
»Die Zimmer sind nachts nicht abgeschlossen?«
»Die Zimmer sind nie verriegelt. Das hier ist keine geschlossene Abteilung, das hab’ ich Ihnen doch schon gesagt.«
»Ausflüge sind also möglich. Hat seine Schwester ihn mal besucht?«
»Nein. Eine Schwester von Herrn Binkel kenne ich nicht.«
»Neigt er zu Gewalttätigkeiten?«
»Dazu gebe ich keine Auskunft.«
»Unter den Insassen hier, hat er da schon mal zugeschlagen?«
»Das unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht. Soll ich Sie zu Herrn Binkel bringen?«
»Nein«, sagte Weitz. »Aber Sie könnten sich mal um Ihre Patienten kümmern.«
»Was meinen Sie?«
»Im Essensraum liegt ein Mann am Boden, und dem geht es gar nicht gut.«
Die Schwester sah ihn entsetzt an und stürmte aus der Loge.
Weitz sah sich um. Der Stahlschrank mit den Patientenakten stand im hinteren Teil des Raums. Nicht abgeschlossen!
Er zog die Schublade für die Hängeordner heraus, suchte den passenden Buchstaben und fand nach zehn Sekunden die Akte von Binkel. Eilig ließ er
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