Blutengel: Thriller
Serra.
Hensen lachte verlegen.
»Natürlich, aber ich brauche das.«
»Ich habe so einen Tatort noch nie gesehen«, sagte Serra. »Sieht aus wie der Papst in seiner letzten Stunde.«
»Ja«, sagte Hensen. »Da hat ein beschaulicher Tod im Bett schon seine Vorteile. Haben Sie so etwas wie Filz gefunden?«
»Filz? Brokat, Kirchengewänder, ein paar Deckchen, aber Filz?«
Serra schüttelte den Kopf und gab dem Uniformierten eine Anweisung.
»Wir hätten Ihnen gern ein paar Details zu dem Priester genannt, aber ich fürchte, da müssen Sie sich an die Kirchenverwaltung wenden. Oder an den Jesuitenorden. Das hier ist ein Altersheim für Priester.«
»Die schickt man nicht nach Rom?«, fragte Tannen.
»Wissen Sie, unser Klima … es ist freundlicher zu den alten Knochen.«
Hensen und Tannen durchsuchten die Räume nach Auffälligkeiten. Auch hier hatte der Täter sauber gearbeitet. Keine Farbreste auf dem Boden, keinerlei Werkzeuge oder Überbleibsel von Materialien, die er für seine Inszenierung benutzt hatte.
»Woran ist er gestorben, ich meine, die genaue Todesursache?«, fragte Tannen.
Hensen zog die Augenbrauen hoch, konzentrierte sich dann aber wieder auf seine Skizze.
»Stromschlag«, sagte Serra. »Außerdem …«
»Ja?«
»Der Zustand der Mundhöhle deutet auf Säure hin.«
»Deshalb dieser verzerrte Gesichtsausdruck?«
»Kann schon sein«, sagte Serra. »Verlassen Sie sich nicht auf mich, ich hab’ noch nie vorher eine Leiche gesehen, der man Säure eingeflößt hat.«
»Dies ist Blut von meinem Blut«, sagte Hensen.
»Das Abendmahl mit anderen Zutaten?«, fragte Serra. »Äußerst makaber. Sehen Sie hier die Einritzung im Oberschenkel?«
Deutlich konnte Hensen neben »Dona nobis pacem« die Buchstaben F und B erkennen.
Er erkundigte sich nach einer günstigen Pension, woraufhin Serra einen Uniformierten anwies, die beiden Deutschen zu einer bestimmten Adresse zu fahren.
»Die haben eigentlich immer ein Zimmer frei, allerdings ist es ein altes Patrizierhaus. Mit einer Toilette im Hof. Das macht Ihnen doch nichts aus?«
Tannen startete die Webkamera seines Notebooks und umkreiste mit dem Computer die Leiche. Sollte Hensen doch seine Skizzen malen, er war hier, um seine Polizeiarbeit zu erledigen. Was würde Mangold sagen, wenn er ohne vernünftige Aufnahmen zurückkäme?
Als sie aus dem Haus traten, fuhr gerade der Leichenwagen vor. Ein umgebautes amerikanisches Oldsmobile aus den 1960ern. Ohne sich weiter um das Hupen der nachfolgenden Wagen zu kümmern, die jetzt weder vor noch zurück konnten, stiegen zwei Männer in schwarzen Anzügen aus, gingen um das Auto herum und zogen einen Zinksarg heraus. Tannen sah an der Hausfassade hoch.
»Und dafür ein Flug nach Florenz?«
»Das hat sich doch gelohnt«, antwortete Hensen.
Ein Polizeiwagen brachte sie in die wenige Straßenzüge weiter gelegene Pension, die ebenfalls den Geruch von altem Holz, Schimmel und etwas Süßlichem verströmte.
»Haben Sie das Bildmotiv erkannt?«, fragte Hensen.
Als Tannen den Kopf schüttelte, sagte er: »Faxen Sie meine Skizze an Sienhaupt.«
»Aber ich habe Fotos …«
»Das wird ihn nur verwirren. Fragen Sie den Pensionswirt, ob Sie sein Faxgerät benutzen dürfen.«
»Und was ist damit?«, fragte Tannen.
Er zog unter seinem Laptop eine lederne Mappe hervor.
»Was soll das sein?«, fragte der Journalist.
»Ich hab’ reingeblättert, ist so eine Art Familienalbum.«
Hensen pfiff durch die Zähne.
»Und das haben Sie einfach so mitgehen lassen?«
»Bevor es in den Verliesen der Inquisition verschwindet. Außerdem sind es Aufnahmen, die in Deutschland gemacht wurden.«
Tannen schlug die Mappe auf, suchte kurz und zeigte Hensen dann ein Bild, das den Priester in jüngeren Jahren mit einer Frau und einem Kind vor dem Kölner Dom zeigte.
»Priester, die heimlich eine Partnerschaft führen, sind keine Seltenheit, und ob das als Mordmotiv …«
Tannen blätterte weiter. Das letzte Bild zeigte den Priester mit einem vielleicht 14-jährigen Jungen. Mit groben Strichen eines Kugelschreibers war das Gesicht des Priesters ausgekreuzt worden.
*
Viktor Riehm blickte angestrengt durch eine Lupe auf eine Platine. Mangold zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben ihn.
»Haben wir einen Augenblick Ruhe?«, fragte er.
»Wenn ich hier weitermachen kann?«, sagte Riehm, ohne den Kopf zu heben.
»Was wird das?«
»Ich operiere ein Motherboard, damit ich an den RamSpeicher komme.«
»Techniker«,
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