Blutengel: Thriller
stöhnte Mangold.
Riehm nahm das vielleicht zwei Handflächen große Motherboard vom Tisch und platzierte es vorsichtig auf eine Art Amboss. Dann legte er ein Zinnkabel auf die Platine und stellte an dem Gerät eine Uhrzeit ein.
»Ist das euer Röntgengerät?«
»Besser«, sagte Riehm. »Die gesamte Platine wird erhitzt, die Lötstellen werden warm und ziehen den Lötzinn an die Stellen, die gebrochen sind. «
»Danke«, sagte Mangold. »Hast du dir angesehen, was Sienhaupt den ganzen Tag so treibt?«
»Du meinst, wenn seine Schwester mal nicht da ist und ihn betütert?«
»Er hat immerhin Binkel und Nicolai als Schüler von Beuys identifiziert.«
»Die Baustelle Beuys lässt er nie aus den Augen. Es sieht so aus, als würde er nach einer weiteren Person aus diesem Umfeld suchen.«
»Eine dritte Person?«
»Genau. Und dann ist da natürlich noch seine Hauptbeschäftigung.«
»Er surft durch die Netze?«
Riehm lachte heiser.
»Ehrlich gesagt wundere ich mich, warum nicht schon längst die CIA, das MI 6 oder der Bundesnachrichtendienst an deine Tür geklopft hat.«
»Er kommuniziert mit den Geheimdiensten?«
»Lass es uns so sagen. Er macht das Gleiche wie die Geheimdienste, nur eben effizienter.«
»Das heißt?«
»Der gesamte weltweite Datenverkehr läuft über eine Handvoll Root Server. Alle Daten müssen da durch. Verstehst du?«
»Eine Art Nadelöhr, bevor sie verteilt werden?«, vergewisserte sich Mangold.
»Genau da hängen sich die Geheimdienste rein, erstellen von allem und jedem, was verschickt wird, eine Kopie. Die wird dann mit Programmen auf verdächtige Zusammenhänge, bestimmte Wörter, Absender und so weiter durchsucht. Die Amerikaner beschäftigen allein 30 000 Experten, um sich den Datenverkehr anzusehen.«
»Und bei dem Konzert spielt Sienhaupt mit?«, fragte Mangold.
»Er bastelt an effektiveren Suchprogrammen und probiert sie dann so ganz nebenbei bei unserem Fall aus. Seine Programme laufen als Robots durchs Netz und fischen in den gleichen Gewässern wie die Geheimdienste.«
»Mit seinem kleinen Rechner?«
»Er baut sich Boot-Netze mit fremden Computern, ich weiß nicht, wie viele er wieder zusammengeschaltet hat. Du kennst das von deinem letzten Fall.«
Mangold erhob sich und stützte sich auf ein Regal.
»Reg dich nicht auf«, sagte Riehm. »Das verändert minimal die Raumtemperatur, und mein Lötwunder hat das gar nicht gern.«
»Was, frage ich dich, was um Himmels willen sucht Sienhaupt denn genau? Unseren Täter?«
Riehm nahm einen Bierdeckel vom Tisch, der ganz und gar mit Flecken vom Lötzinn bedeckt war. Er schoss ihn in Richtung des verdutzten Mangold.
»Das weißt du doch.«
»Ich verstehe nicht.«
»Außerirdische. Er sucht die Weltbevölkerung nach Außerirdischen ab. Er knackt Gendatenbanken, analysiert Augenzeugenberichte, sucht nach Veränderungen geothermischer Strukturen, vergleicht Wetterdaten und sogar die Ergebnisse von Pferderennen … er sucht Unregelmäßigkeiten, die auf den Einfluss von Außerirdischen schließen lassen. Und er will diese Aliens aufspüren. Er probiert Thesen aus wie: Aliens halten sich abseits, oder Aliens haben mehr Glück bei Pferdewetten, weiß der Teufel.«
»Und dann?«
»Sucht er alle Personen, die sich auffällig abseits halten, im Netz nicht sonderlich auffallen, knackt medizinische Datenbanken. Das ist zumindest das, was ich verstanden habe. Würde mich wirklich nicht wundern, wenn er gerade die Urinproben deines Teams analysiert.«
»Wie sollte er an die rangekommen sein?«
»Sieh mal ins Klo, ob da ein kleiner Sensor klebt. Wenn Sienhaupt eine Idee hat, sucht er sich einen Weg. Auch sämtliche von Polizeidiensten gespeicherten DNA-Abgleiche hat er gehackt und auf andere Datenbanken übertragen. Glaub mir, der Mann könnte ganze Volkswirtschaften zum Einstürzen bringen, wenn er seine Computer-Armada in Stellung bringt.«
Mangold kratzte sich im Nacken.
»Ich weiß nicht, wie lange ich Wirch das noch verschweigen kann.«
»Bist du krank? Ich mag gar nicht daran denken, was passiert, wenn Sienhaupt uns zu Feinden erklärt. Dann landen wir im Mittelalter. Oder es gibt uns plötzlich gar nicht mehr.«
»Die Frage ist: Wie können wir ihn auf die Fährte setzen? Wir brauchen Ermittlungserfolge, aber der Zeuge und ein ganz brauchbarer Verdächtiger werden umgebracht.«
»Da gibt es einen Weg«, sagte Riehm mit Verschwörerstimme.
»Wir bestechen ihn mit einem Ausflug zu McDonalds oder Pizzahut. Oder aber, du
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