Blutengel: Thriller
Unmöglichkeit. Auch die Telefongesellschaft hatte nicht herausfinden können, von wem die Nachricht stammte.
Steckte Sienhaupt hinter all dem? Bis heute war unklar, wie eng das Verhältnis der beiden Savants gewesen war. Nicht ausgeschlossen war, dass Sienhaupt das Kind seines Savant-Kollegen schützen wollte. Gehörte es zu einem »Deal«, von dem sie keine Ahnung hatten?
Sienhaupt hatte den Abschlussbericht gelesen und ohne einen Kommentar beiseite gelegt. Aber er hatte ihn seltsam angelächelt, so wie man jemanden anlächelt, wenn man sich wegen eines Geheimnisses überlegen weiß.
Niemand auf der Welt war in der Lage, aus dem Savant etwas herauszubringen, wenn der das nicht wollte. Zumindest war ihm noch kein Druckmittel eingefallen, mit dem er ihn hätte dazu bringen können, all die Geheimnisse mitzuteilen, die er mit dem Serienkiller Travenhorst ausgetauscht hatte.
»Hallo? Sind wir noch da?«, sagte Lena und klatschte in die Hände.
Sie deutete auf das Modell der Pyramide von Gizeh.
»Zumindest ein guter Ansatz«, sagte sie. »Es gibt doch verschiedene Kammern in solch einer Pyramide?«
»Kommt auf die Entstehungszeit an, die ersten waren eher primitiv.«
»Egal, es gibt Kammern, und die haben blinde Türen, Gänge, die ins Nichts führen oder einfach zu weiteren leeren Kammern«, sagte Lena.
»Sie führen in Scheinkammern. Worauf willst du hinaus?«
»Scheinkammern, genau«, sagte Lena. »Er baut eine Menge Kammern und Tatorte um dich herum, aber er befindet sich in einer versteckten Kammer.«
»Fein, eine versteckte Kammer.«
»Mangold, nun mach nicht so langsam. Wo ist der beste Platz für eine verborgene Kammer?«
»Keine Ahnung.«
»Im Zentrum.«
»Wieso im Zentrum?«
»Weil euer Täter ziemlich viel weiß. Er hat ja auch euren einzigen Augenzeugen abgefangen. Das sieht nicht nach Zufall aus.«
»Du meinst, er hat Zugang zu Polizeicomputern?«
»Warum nicht? Das wäre so eine Kammer. Jedenfalls kontrolliert er das Spiel. Seine Kammer ist noch verborgen.«
»Trotzdem, die meisten altägyptischen Pyramiden haben Grabräuber ausgeräumt«, sagte Mangold.
»Woher willst du das wissen? Die beste Tarnung für das Gold und den Sarkophag des Pharaos ist doch, man tut gleich so, als wären schon ein paar Leute da gewesen und hätten alles ausgeraubt.«
»Du meinst, die echten Gräber und Goldkammern sind noch vorhanden?«
»Und so gut versteckt, dass auch wir sie nicht gefunden haben. Wäre ich Kleopatra, so hätte ich es gemacht.«
Lena sah ihn aufgeregt an. Bevor Mangold etwas antworten konnte, fuhr sie fort: »Stell dir das vor: Pharao sitzt am Feuer und denkt, o Ramses, o Ramses, nein, ich will nicht, dass meine Mumie von ein paar Grabräubern ausgewickelt wird. Was also macht er? Er versteckt sich und sein Gold, so gut es geht. Ein paar Sachen lässt er in der angeblich verborgenen Kammer für die Räuber da, damit die Ruhe geben …«
»Unser Täter ist ein Künstler«, sagte Mangold. »Er baut Bilder nach.«
»Oder er hält sich eben nicht für einen Künstler. Und genau das will er mitteilen: Ich bin kein Künstler, und du bist schuld.«
»Ich?«
»Wir alle. Die blöden Menschen und die blöden Umstände.«
»Gewagte Theorie, teuerste Lena«, sagte Mangold. Er sah, dass ihr vor Aufregung über ihre eigenen Theorien die Röte ins Gesicht gestiegen war. Lena ließ sich nicht bremsen: »Trotzdem, diese Bilder erzählen etwas über die Motive. Was ist mit den lateinischen Sprüchen?«
»Was soll damit sein?«
»Was habt ihr über die rausgefunden?«
»Ich denke, ich hab’ dir schon viel zu viel über den Fall erzählt«, sagte Mangold. »Willst du nicht Journalistin werden? Du bist gut darin, anderen etwas aus der Nase zu ziehen.«
»Also habt ihr keine Ahnung. Manchmal können einem die Dinge wirklich was erzählen.«
Mangold schob lachend den Teller von sich.
»Kommen wir jetzt zum Abendprogramm mit Lenas Lebensweisheiten?«
»Tattoos zum Beispiel. Tattoos, das sind genau genommen ja auch Einritzungen.«
Mangold sah entnervt zur Decke, doch Lena schien das nicht zu beeindrucken.
»In der Pathologie haben wir jede Menge Spaß damit. Da erfährst du, wen die Leute geliebt und für welchen Fußballverein sie sich begeistert haben. Ob sie im Gefängnis waren, wie viel Geld sie so in den verschiedenen Lebensabschnitten verdient haben. Und dann die Tätowierer. Die Stümper und Abkopierer, die Künstler und …«
»Halt mal«, sagte Mangold. »Warum verewigt man überhaupt
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