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Bluterde

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Titel: Bluterde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Praxmayer
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blickte aus dem Fenster. Die Wolkenschicht wurde dünner und gab den Blick auf den Nyiragongo frei. Vor sieben Jahren war der Vulkan ausgebrochen und hatte Teile der Stadt unter einem gewaltigen Strom aus Lava begraben. Aus der Luft konnte man selbst jetzt noch die Spuren der Zerstörung erkennen. McAllister wusste, dass die einzige Landebahn des Flughafens gefährlich kurz war, seit der Vulkan ein Drittel davon unter einer mächtigen Gesteinsschicht begraben hatte. Die Landung war riskant und immer wieder rollten Flugzeuge mit hohem Tempo in eines der benachbarten Wohngebiete. Die DC-9 flog eine Schleife und in seinem Blickfeld tauchte jetzt der Kivu-See auf, der majestätisch zwischen grünen Hügeln eingebettet lag. Für einen kurzen Augenblick nahm ihn das Bild gefangen, dann wandte er sich wieder dem Bericht zu, den ihm Christopher Sikibi noch kurz vor seinem Abflug in Abidjan zugesteckt hatte. Er hatte die wenigen Seiten bereits gelesen und überflog noch einmal die Passagen, die sein Interpol-Kollege rot markiert hatte. In den beiden Kivu-Provinzen waren in den letzten Wochen wieder verstärkt Rebellenaktivitäten zu verzeichnen. Erst vor wenigen Tagen war ein Dorf in der Nähe von Mweso in der Provinz Nord-Kivu überfallen worden. Flüchtlinge aus dem Dorf berichteten, dass Rebellen sie brutal ausgeraubt und die Frauen vergewaltigt hatten. Bevor die Milizen mit ihrer Beute abgezogen waren, hatten sie die Hütten in Brand gesteckt. Angeblich als Denkzettel dafür, dass sie mit regierungstreuen Militärs kooperiert hätten. Keiner der Einwohner wagte sich in das Dorf zurück. Einige waren in Nachbardörfer geflohen, andere hielten sich seither im Dschungel versteckt. McAllister gefiel nicht, was er da las. Mweso war nur einhundertdreißig Kilometer von Goma entfernt. Nach kongolesischen Maßstäben eine enorme Entfernung, für ihn ein weiterer Krisenherd, der beunruhigend nahe lag. Wie es wohl Lea bisher ergangen war? Er freute sich drauf, die sture Biologin zu sehen. In den letzten Tagen hatte er oft an sie gedacht. Hier in Afrika, fernab von seiner Frau, fühlte er sich weniger schlecht dabei. Lea war genau das Gegenteil von Lucy. Während Lucy mit ihrem elfenhaften Gesicht seinen Beschützerinstinkt weckte, forderte Lea ihn heraus. Ihr Stolz, die Art, wie sie sprach, ihre kurzen Haare, die langen Beine. Er fand sie auf eine eigenwillige Art anziehend und zudem sehr sexy. McAllister knallte mit dem Kopf beinahe auf die Rücklehne seines Vordermannes, als der Pilot versuchte, die Maschine mit einer Vollbremsung zum Stillstand zu bringen. Für eine halbe Ewigkeit schien sich das Tempo des tonnenschweren Vogels kaum zu verringern. Aber kurz bevor sie in einen kleinen Markt hinter dem Rollfeld schlitterten, kam das Flugzeug zum Stehen. Als die Passagiere applaudierten, dachte McAllister einen kurzen Moment darüber nach, mitzumachen. Stattdessen schälte er sich aus dem schmalen Sitz, strich seine helle Hose glatt und holte sein Handgepäck aus der Ablage. Im Schneckentempo zwängte er sich hinter einer Frau mit ausladendem Hinterteil durch den Gang zur Treppe. Niemand hatte es eilig. Die Menschen standen in Gruppen beisammen, lachten und diskutierten. Dazwischen Beamte, die mit Luchsaugen nach Touristen Ausschau hielten, denen sie ein paar Dollar für irgendwelche Genehmigungen abknöpfen konnten. Das Gepäck wurde ausgeladen und sofort stürzten sich die Passagiere darauf. McAllister wollte sich gerade in Richtung Koffer in Bewegung setzen, als ihn jemand am Arm festhielt.
    »Ian McAllister?«
    Ein Mann mittleren Alters stand vor ihm und blickte ihn neugierig an.
    »Ja, wieso?«
    »Ich bin Robert Aoko. Das Büro in Abidjan schickt mich.«
    McAllister lachte erfreut auf.
    »Chris hat mir gar nicht erzählt, dass ich abgeholt werde.«
    »Er fürchtete, Sie würden ablehnen.«
    Ein übellaunig aussehender Beamter stolzierte auf sie zu. Robert ging ihm einen Schritt entgegen, flüsterte ihm etwas zu und ein Geldschein wechselte den Besitzer.
    »Welcher ist Ihrer?«, fragte Robert und deutete auf den bunten Haufen aus Koffern, Taschen, Tüten und Rucksäcken.
    »Der hier«, antwortete McAllister und zeigte auf einen silbernen Aluminiumkoffer. Der schmächtige Mann kämpfte sich bis zu den Gepäckstücken vor, zog den Koffer energisch aus dem Haufen und bedeutete Ian, ihm zu folgen. Sie schlängelten sich zwischen weißen UN-Hubschraubern und Jeeps hindurch auf das Flughafengebäude zu, das mit seinen vielen Giebeln

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