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Bluterde

Bluterde

Titel: Bluterde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Praxmayer
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waren. Mit einem Knall flog die Türe auf. Ein Stoß von hinten ließ Lea beinahe aus dem Helikopter fallen. In letzter Sekunde konnte sie den Sturz abfangen und sich mit einem Sprung auf den sicheren Boden retten. Noch mehr bewaffnete Männer und das flirrende Grün des Dschungels empfingen sie. Ihr Körper zitterte unkontrolliert. Sie konnte nicht mehr verdrängen, was ihr Unterbewusstsein längst ahnte: Sie war in der Gewalt von Rebellen. Mitten im Nirgendwo des kongolesischen Regenwalds. Hinter ihr brüllte jemand einen Befehl.
    »Allez! Allez!«
    Lea fühlte sich nicht angesprochen, bis der Lauf einer Maschinenpistole scharf in ihre Rippen stach. Langsam setzte sie sich in Bewegung, ihre Schuhe schmatzten bei jedem Schritt durch den Schlamm. Ihre Finger klammerten sich an die Wasserflasche. Den Blick starr auf die Gummistiefel ihres Vordermannes gerichtet, schleppte sie sich über einen schmalen Pfad durch den Regenwald. Sie hatte völlig das Zeitgefühl verloren, hob den Kopf erst, als sie laute Rufe vernahm. Mitten im tiefsten Dschungel standen Hunderte schlammverschmierte Männer am Wegesrand. Sie reckten Stöcke in die Höhe, johlten und pfiffen. Zu spät realisierte Lea, dass ihr Vordermann stehen geblieben war. Sie knallte mit voller Wucht in seinen Rücken. Die Kolonne war zum Stillstand gekommen, Gaffer verstellten den Weg. Der Preisboxer bellte wütend Kommandos in ihre Richtung und schoss in die Luft. Sofort teilte sich die Menge und bildete eine Gasse. Lea ging mit gesenktem Kopf durch die dicht gedrängte Menschenmasse, die Blicke der Männer in ihrem Rücken. Sie war erleichtert, als sie die behelfsmäßigen Hütten sah, die eine Art Dorfplatz umstanden. In seiner Mitte thronte ein zerfetzter Sessel, der von einem mit Palmwedeln gedeckten Unterstand beschattet wurde.
    Der Preisboxer zerrte sie an ihren Fesseln vor den Lehnsessel und zwang sie, sich hinzuknien. Ihr wurde übel, sie machte sich vor Angst fast in die Hose. In die umstehende Menge kehrte sofort Ruhe ein, als sich ein hochgewachsener Mann in makelloser Uniform näherte und sich auf dem Polstermöbel niederließ. Seinen Spazierstock mit dem silbernen Knauf lehnte er gegen die Armlehne, dann legte er seine Finger aneinander und musterte Lea eingehend. Sein Gesicht war schmal, die schwarze Brille verlieh ihm beinahe etwas Intellektuelles. Der Preisboxer ging zu ihm hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Mund des Mannes verzog sich zu einem Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. Ein schwarzer Sog aus Panik drohte Lea mit sich fortzureißen. Crocodile! Dieser Typ musste Jean Mudaku sein. Er beobachtete amüsiert ihr Gesicht und sprach sie auf Französisch an. Sofort registrierte er, dass sie ihn nicht verstand, und wechselte ins Englische.
    »Willkommen in meinem bescheidenen Lager.«
    Seine Stimme klang melodiös und sanft.
    »Hatten Sie eine gute Anreise?«
    Er lachte und zündete sich eine Zigarette an.
    »Sie sehen nicht so aus, als ob Sie Schwierigkeiten machen könnten.«
    »Warum bin ich hier?«
    »Sagen wir es einmal so: Ihr stört den Frieden.«
    »Frieden? Ich verstehe nicht …«
    »Sie werden hier jetzt viel Zeit zum Nachdenken haben.«
    Er machte eine knappe Kopfbewegung und der Preisboxer riss sie auf die Füße.
    »Genießen Sie Ihren Aufenthalt hier. Und übrigens: Versuchen Sie gar nicht erst zu fliehen. Selbst wenn Sie es schaffen, aus Ihrer Hütte zu kommen, lauert hier draußen nur der Dschungel.«
    Noch bevor sie etwas erwidern konnte, wurde sie von ihrem Bewacher weggezogen und zu einer der Hütten geführt. Die grob gezimmerte Holztüre schwang zurück, ein muffiger Geruch stieg Lea in die Nase. Sie stolperte in den dämmrigen Innenraum. Er war leer bis auf eine alte Strohmatte an der Rückwand. Ein Rascheln in der Ecke verriet ihr, dass sie nicht alleine war. Ihre Haut fing am ganzen Körper an zu jucken. Als Nächstes würden Atemnot und das Herzrasen kommen. Beruhig dich! Eine Panikattacke war jetzt wirklich das Letzte, was sie gebrauchen konnte. Angeekelt lehnte sie sich an die Wand, schraubte die Flasche auf und opferte ein paar Tropfen des wertvollen Wassers, um wenigstens ihre Hände etwas zu säubern. Langsam wurde ihr Atem regelmäßiger und sie dachte daran, dass ihr jeder andere Ort im Dschungel gerade lieber wäre.
     
    McAllister zog den Sitzgurt enger. Die altersschwache DC-9 der Hewa Bora Airways befand sich bereits im Landeanflug auf Goma und sackte von einem Luftloch in das nächste. Er

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