Bluterde
besorgten Blick.
»Er war mit einer Kollegin unterwegs, um Sebari und seine Gruppe zu besuchen«, erklärte Omari ruhig.
»Davon wissen wir nichts. Wir haben den Jungen gerade bei unserer letzten Patrouille gefunden. Allein. Er lag bewusstlos neben dem Landrover. Aber vielleicht weiß der Doc mehr.«
Während Omari noch mit dem Parkranger sprach, hatte sich Femi schon im Laufschritt auf den Weg zum Besucherzentrum gemacht. Ohne auf die bewaffneten Männer zu achten, stürmte er durch die Tür. Im Büro brannte Licht und leise Stimmen waren zu hören. Mit ein paar schnellen Schritten durchmaß er den Flur. Als er im Türrahmen stand, sah er Adolphes hoch aufgeschossene Gestalt auf dem verschlissenen Sofa liegen. Sein Oberkörper war nackt, um die linke Schulter und den Brustkorb wand sich ein Verband. Das zerkratzte Gesicht hatte er zur Seite gedreht, seine Lider waren geschlossen und flatterten unruhig. Neben ihm standen zwei Männer, die miteinander flüsterten. Femi erkannte den Veterinär aus Bukavu. Das Gespräch stockte und zwei Augenpaare richteten sich auf den Primatologen.
»Wie geht es ihm?«
Der Tierarzt legte ihm besänftigend eine Hand auf die Schulter.
»Nichts Schlimmes. Eine Fleischwunde an der Schulter. Ich habe sie genäht. Aber er hat einen schweren Schock – hab ihm etwas zur Beruhigung gegeben.«
Femi zog einen Stuhl heran und setzte sich. Erschöpft fuhr er sich über die Augen.
»Und was ist mit der Frau? Hat er was erzählt?«
»Sie meinen diese Madame Lea?«
Ein Hoffnungsfunke durchzuckte Femi.
»Ja!«
Der Veterinär schüttelte den Kopf.
»Nicht viel. Hat ständig ihren Namen wiederholt und dabei geweint wie ein Kind. Faselte etwas von Schüssen. Das Beruhigungsmittel verpasse ich normalerweise Gorillas …«
Femi forschte in Adolphes Gesicht, als ob er dort Hinweise über Leas Verbleib finden könnte.
»Der Kleine hatte Glück, dass wir zufällig alle da waren. Wir hatten heute am Nachmittag unsere halbjährliche Statusbesprechung zu Ebola.«
»Danke, Doc! Muss er ins Krankenhaus?«
»Ich denke nicht. Der wird bis morgen weggetreten sein. Kannst du Antibiotika besorgen?«
»Mal sehen.«
Femi drehte sich um und verließ den Raum. Draußen stand Omari mit den drei ICCN-Männern beisammen. Als er Femi sah, winkte er ihn zu sich.
»Die Männer werden sich gleich morgen früh auf die Suche nach Lea machen.«
Femi schnaubte.
»Was ist, wenn sie irgendwo da draußen liegt? Verletzt? Oder …?«
»Du weißt selbst, dass es keinen Sinn macht, sie jetzt zu suchen. Es ist zu gefährlich.«
Femi musste sich eingestehen, dass Omari recht hatte. Es war mittlerweile so dunkel geworden, dass sie Lea nicht einmal entdecken würden, wenn sie in einem Abstand von einem Meter an ihr vorbeigingen.
»Wir bleiben hier und gehen morgen mit den ICCN-Leuten mit.«
Femis Stimme klang entschieden.
»Und Adolphe?«, fragte Omari.
»Liegt vollgepumpt mit Beruhigungsmitteln im Büro und schläft wie ein Stein.«
Omari wandte sich an einen der Ranger und bat ihn, die Schranke aufzuschließen. Er parkte den Landrover vor dem Besucherzentrum, holte die Rucksäcke und die zweite Waffe aus dem Kofferraum und folgte der kleinen Gruppe zu den Mannschaftsunterkünften. Die beiden fensterlosen Baracken lagen versteckt hinter einer grünen Hecke. Der Dienstälteste wies ihnen zwei Holzpritschen im ersten Gebäude zu.
»Ihr könnt die Tür verriegeln.«
Omari warf die Rucksäcke auf die Schlafplätze und lehnte die Maschinenpistolen an die Wand.
»Die Feuerstelle ist hinter den Hütten. Ist bestimmt genug Foufou da, um noch zwei zusätzliche Mäuler zu stopfen.«
Der ICCN-Mann ging hinaus.
Femi platzierte seinen Rucksack am Kopfende der Pritsche und streckte seinen müden Körper aus. Mit dem Summen von Moskitos im Ohr fiel er in einen unruhigen Schlaf und träumte von Lea.
Lea war kotzübel. Ihr Schädel hämmerte wie ein Amboss. Sie öffnete die Augen, aber alles blieb dunkel. Panik schoss durch ihren Körper. War sie blind? Sie spürte ein Kratzen in ihrem Gesicht, von rauem Gewebe. Sie wollte danach greifen, aber sie konnte ihre Hände nicht bewegen. Gefesselt! Ich bin gefesselt, schoss es ihr durch den Kopf. Ihre Beine fühlten sich taub an. Mit aller Kraft versuchte sie, sich auf dem kalten Boden aufzusetzen. Nach fünf Versuchen hatte sie es endlich geschafft. Scharf schnitt ihr das Seil in Hand- und Fußgelenke, aber wenigstens ließ die Übelkeit ein wenig nach. Sie wollte laut um
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