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Bluterde

Bluterde

Titel: Bluterde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Praxmayer
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Finger glitt in ihre Mundhöhle; ein metallischer Geschmack. Lea konnte den Würgereiz nur mit Mühe unterdrücken. Der Junge stierte sie mit weit aufgerissenen Augen an, atmete schwer. Sein Finger tastete die Innenseite ihrer Wangen ab, rutschte am Kieferknochen entlang und befühlte ihre Zähne. Jeden einzelnen. Fast so, als ob er sie zählen würde. Sie spürte, wie ihr ein Speichelfaden aus dem Mundwinkel floss. Sie konnte nicht schlucken. Der Finger verließ ihren Mund, blieb kurz an ihrer Unterlippe hängen und wanderte feucht über ihr Kinn und ihren Hals. Sie roch seinen Schweiß, spürte seinen Atem in ihrem Gesicht. An der Kuhle zwischen ihren Schlüsselbeinen machte er halt. Als sie den bohrenden Druck spürte, überschlug sich ihr Herz vor Angst. Der Druck wurde stärker und stärker, sie spürte den Schmerz, die Panik, den Luftmangel, hörte sich selbst röcheln. Tränen nahmen ihr die Sicht. Seine Erektion drückte gegen ihren Bauch. Luft! Sein Zeigefinger hatte die Reise wieder aufgenommen, wanderte Zentimeter für Zentimeter tiefer, kroch unter den Rand ihres Ausschnittes, bis er vom BH gestoppt wurde. Der Junge machte einen halben Schritt zurück, um ihre Brüste besser betrachten zu können. Die Türe hatten sie beide nicht gehört. Lea registrierte Crocodiles Bruder, den Preisboxer, in dem Moment, als er einen Faustschlag genau auf der Schläfe ihres Peinigers explodieren ließ. Der Junge taumelte zurück, der zweite Schlag landete mitten in seinem Gesicht. Sein Kopf flog nach hinten. Lea glaubte ein leises Knirschen zu hören, als sein Nasenbein brach. Blut schoss aus seiner Nase, er wischte es mit seinem T-Shirt weg. Der Preisboxer sah ihn hasserfüllt an.
    »Wenn du sie noch einmal anfasst, bringe ich dich um! Und jetzt verpiss dich!«
    »Du willst sie doch nur für dich!«, zischte der Junge und schlüpfte mit lodernden Augen an ihm vorbei aus der Hütte. Francois schnaubte.
    »Du kleiner Pisser weißt einfach nicht, wo dein Platz ist«, schrie er ihm hinterher. Jegliche Spannung entwich aus Leas Körper, sie rutschte an der Wand zu Boden, fing den verächtlichen Blick des Preisboxers auf, bevor er die Holztür von außen zuzog. Lea lauschte ins Halbdunkel, bis sie ganz sicher war, dass er verschwunden war. Mit zwei Schritten war sie bei der Stelle, wo der Halbstarke das Messer fallen gelassen hatte. Es musste irgendwo hier sein. Schnell befreite sie sich von den Fesseln und durchwühlte den Dreck. Schließlich ertasteten ihre Finger das Metall. Sie hob das Messer auf und versteckte es unter der Matte. Ihr Magen krampfte. Benommen taumelte sie in den hintersten Winkel der Hütte und übergab sich. Ihr Herz galoppierte, der Atem ging stoßweise. Sie ließ sich auf die Strohmatte fallen, tastete nach der Wasserflasche. Erst als sie ihren Mund ausgespült hatte, beruhigten sich ihre Nerven etwas. Sie wusste jetzt, dass es Schlimmeres gab als den Dschungel da draußen. Minutenlang beobachtete sie einen schwarzen Käfer, der sich mühsam die Holzwand hocharbeitete. Schließlich hatte er es bis zum Fenster geschafft und schlüpfte mühelos durch die Drahtmaschen.
    »Ich muss hier weg!«
    Der Kerl würde wiederkommen. Und wenn nicht er, dann irgendein anderer. Oder Crocodile. Sie saß in der Falle, wie eine Ratte, der Willkür dieser Männer ausgeliefert. Sie würden sie vergewaltigen. Einfach so. Weil niemand sie daran hinderte. Berichte über das Schicksal Tausender kongolesischer Frauen kamen ihr in den Sinn. Und irgendwann, wenn sie keine Verwendung mehr für sie hatten, würden die Rebellen sie töten. Ihr Leben war weniger wert als das Paar Schuhe, das sie an den Füßen trug. Sie fühlte Tränen hinter ihren Lidern brennen. Sie schluckte, straffte ihre Schulter. Nein, sie würde nicht hier herumsitzen, heulen und warten, bis wieder eines dieser Schweine im Türrahmen auftauchte. Lieber nahm sie ihr Schicksal selbst in die Hand. Vielleicht konnte sie eines der Dörfer am Rande des Nationalparks erreichen. Von Femi wusste sie, dass sich dort Bauern angesiedelt hatten, die ihre Tiere im Park weiden ließen. Das könnte ihre Rettung sein. Sie versuchte, sich die Karte des Kahuzi-Biega-Nationalparks ins Gedächtnis zu rufen. Das WPS-Projektgebiet befand sich im südwestlichen Parkteil, was bedeutete, dass auch die Mine auf dieser Höhe lag. Folglich würde sie weiter in Richtung Süden marschieren müssen, wenn sie zur Parkgrenze wollte. Auf der Karte schienen die Entfernungen gering, aber sie

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