Bluterde
mentaler Zustand ist bedenklich. Wir mussten ihm eine ordentliche Dosis Diazepam verpassen.«
McAllister nickte.
»Können wir mit ihm reden?«
»Wenn Sie versprechen, dass Sie ihn nicht aufregen?«
Die Krankenschwester knipste ihr charmantes Lächeln an.
»Wir werden unser Bestes geben. Aber wir brauchen seine Aussage. Heute.«
Sie öffnete die Tür und ging vor den beiden her.
»Adolphe, du hast Besuch!«, zwitscherte sie mit professioneller Fröhlichkeit. Der Ranger drehte seinen Kopf langsam in ihre Richtung und blickte sie aus großen Augen an. Sie tätschelte liebevoll seinen Arm, dann drehte sie sich zu McAllister um.
»Sie haben zehn Minuten.«
Nachdem sie die Zimmertüre geschlossen hatte, stellten sich die beiden an Adolphes Bett, McAllister blieb im Hintergrund. Im Auto hatten sie besprochen, dass Femi die Befragung übernehmen würde. Wenn er Adolphe jetzt so sah, hoffte er inständig, dass der Primatologe seine Emotionen im Griff haben würde. Es war nur unschwer zu erkennen, dass Adolphes Angst nur unter einem dünnen Netz aus Valium gefangen lag und darauf lauerte, es bei der ersten Gelegenheit zu zerreißen.
Femi zog einen Stuhl heran und setzte sich.
»Wie geht’s dir? Die Schwester sagt, die Wunde sieht gut aus.«
Sein Nicken war so unmerklich, dass McAllister glaubte, Opfer einer Sinnestäuschung zu sein.
»Adolphe, wir müssen mit dir noch einmal über Lea sprechen.«
Keine Reaktion. McAllister stand angespannt hinter Femi und beobachtete die Szene.
»Also gut. Wir möchten gerne von dir wissen, wen du angerufen hast, bevor du mit Lea zu den Gorillas gefahren bist.«
Adolphes Blick floh weit in die Ferne, an Femi vorbei.
»Du hast deinen Onkel angerufen, stimmt’s?«, hakte Femi nach. Eine Ewigkeit lang schien alles um sie herum stillzustehen. Dann drehte Adolphe sein Gesicht in Zeitlupentempo zur Wand. Finster starrte Femi auf seinen Hinterkopf. Reiß dich zusammen, reiß dich jetzt bloß zusammen, betete McAllister.
»Du brauchst keine Angst zu haben. Hier bist du in Sicherheit. Wir kümmern uns auch um deine Familie, versprochen!«
McAllister atmete erleichtert aus. Femi war ein guter Schauspieler. Dieses Mal fiel das Nicken des Jungen deutlicher aus.
»Ich wusste es! Dieser Mistkerl!«
Femi spürte die Hand auf seiner Schulter und verstummte. Er räusperte sich.
»Danke, Adolphe, das hilft uns sehr weiter. Nur noch eine Frage: Weißt du vielleicht, wo sie Lea hingebracht haben?«
Er wollte die Frage beiläufig klingen lassen. Gespannt beobachteten die beiden seine Reaktion. Adolphes Brustkorb hob und senkte sich schneller.
»Schluss jetzt, meine Herren! Ihre Zeit ist um.«
Die Krankenschwester war ins Zimmer gekommen und stand vor ihnen, die Hände in die Hüften gestemmt.
»Wir sind sofort fertig! Nur noch eine Minute. Bitte.«
McAllister hatte seinen Dackelblick aufgesetzt und lächelte sie entwaffnend an. Die Krankenschwester zögerte, dann antwortete sie mit ernster Miene:
»Na gut. Aber wirklich nur eine Minute.«
Als sich die beiden wieder Adolphe zuwandten, blickten sie in seine Augen, die tief in seinem Gesicht lagen.
»Adolphe, wo ist sie?«
Femi sprach langsam und betonte jedes Wort einzeln.
»Vielleicht im Lagerhaus.«
Adolphes Aussprache war verwaschen.
»Welches Lagerhaus?«, bohrte Femi nach. Der Ranger zuckte mit den Schultern.
»Verdammt, streng dich an! Denk nach!«
Man konnte fast sehen, wie es hinter Adolphes Stirn arbeitete.
»Er hat telefoniert.«
»Gut! Und weiter?«
Die Anspannung zerriss Femi fast. Er konnte sich nur mühsam unter Kontrolle halten. McAllister ging es nicht viel besser, unruhig trat er von einem Bein auf das andere.
»Wollte nicht, dass ich zuhöre. Aber die Tür. Sie war offen.«
»Was hast du gehört?«
»Sie kann nicht in Bukavu bleiben.«
Sein Atem ging schwer. Plötzlich stieß er mit überraschend klarer Stimme hervor:
»Schafft sie nach Kigali!«
Femi zuckte zusammen. Das war der Sprachduktus des Generals. Adolphe hatte ihn soeben perfekt imitiert. McAllister sog hörbar die Luft ein. Aber noch bevor sie weitere Fragen stellen konnten, stand die Krankenschwester wie ein Cerberus vor ihnen.
»Genug gefragt. Er braucht jetzt seine Ruhe.«
Besorgt blickte sie in Adolphes Gesicht und strich ihm sanft über die Wange.
»Es reicht, sehen Sie ihn sich an!«
Verärgert schaute sie die beiden Besucher an, dann verstellte sie ein Rädchen am Schlauch der Infusionsflasche, die wie ein Ballon neben dem Bett
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