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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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damals bei der Suche dabei. Hab’ zwei Tage keinen Handschlag gearbeitet. Hab’ auch all unsere Jungs losgeschickt.« Er stellte seinen Becher auf dem Bord für die Gebetbücher vor ihm ab und suchte in seinen Taschen herum. »Die Eltern haben mir leid getan«, fuhr er fort. »Ich weiß, wie es ist, ein Kind zu verlieren.«
    »Wie geht’s Jenny?«, erkundigte sich Harry, während Mike eine Zigarettenschachtel aus der Tasche zog und sie anstarrte.
    »Sie hockt schon den ganzen Vormittag mit ihrem Vater und dem alten Tobias zusammen«, antwortete Mike. Er kippte die Schachtel um. Harry hörte das leise Tappen der Zigaretten, die auf die Pappe fielen. »Familienrat«, meinte Mike und drehte die Schachtel wieder anders herum. »Geht mich natürlich nichts an. Ich bin nicht viel mehr als der Knecht.« Er öffnete die Zigarettenschachtel und ließ den Inhalt in seine Hände fallen.
    »Trauer wirkt sich ganz unterschiedlich auf die Menschen aus«, gab Harry zu bedenken. Die Bitterkeit, die er in der Stimme des anderen Mannes ausmachen konnte, überraschte ihn. »Ich habe gehört, zwischen Vätern und Töchtern besteht eine ganz besondere Bindung.«
    Mike hielt eine Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger. Vor Harrys Augen begann sich die Zigarette zu biegen. Mikes Augen glänzten. Er atmete tief und langsam, als bemühe er sich mit aller Kraft, nicht zusammenzubrechen. Dann begann er, den Kopf zu schütteln. Die Zigarette in seiner Hand war zerbrochen und unbrauchbar.
    »Sie war nicht mal von mir«, sagte er. »Wie finden Sie das, Harry?«
    »Sie meinen, sie war nicht Ihr leibliches Kind?«
    Mike schüttelte noch immer den Kopf. »Jenny ist kurz nachdem wir uns kennengelernt haben schwanger geworden«, sagte er. »Wir waren damals noch gar nicht zusammen, es war ganz klar, dass es nicht mein Kind sein konnte. Sie hat mir nie erzählt, wer der Vater war. Bloß ein blöder Fehler, hat sie gesagt, nicht mal eine Beziehung, nur dass sie’s nicht wegmachen lassen wollte. Irgendwie hab’ ich sie dafür bewundert. Aber es kam überhaupt nicht in Frage, dass Sinclair eine von seinen Töchtern als ledige Mutter rumlaufen lässt.«
    »Also haben Sie beide geheiratet?«
    »Hundertsechzig Hektar Ackerland hab’ ich dafür gekriegt. Und zweitausend Mutterschafe. Ich stamme aus einer Bauernfamilie, Harry, drüben in der Nähe von Whitby, aber ich habe drei ältere Brüder. Das war die einzige Chance, die ich je gekriegt hätte, meinen eigenen Hof zu haben. Das Ironische daran ist, ich hätte Jenny wahrscheinlich auch so geheiratet. Ich war damals schon halb in sie verliebt.«
    Der Becher in Harrys Händen kühlte schnell ab, als söge Harry seine ganze Wärme in sich auf.
    »Und dann haben Sie Lucy als …«
    »Das stand nie in Frage. Ich war hin und weg von ihr, sobald ich sie das erste Mal gesehen habe. Und nach ’ner Weile hab’ ich’s einfach vergessen. Ich hab’ vergessen, dass sie in Wirklichkeit gar nicht von mir war. Ich hab’ ihren Tod nie verwunden. Wenn wir noch mehr Kinder gehabt hätten, dann vielleicht. Jetzt werd’ ich wohl nie mehr darüber wegkommen.«
    Die Tür zur Sakristei öffnete sich, und zwei Polizisten traten in die Kirche, eine Frau und ein Mann. Sie blieben stehen, als sie Harry und Mike erblickten, murmelten eine Entschuldigung und verschwanden wieder in der Sakristei. Mike sah ihnen nach, dann stand er auf. »Was ist mit ihnen passiert, Harry?«, fragte er, ohne den Blick von der Sakristeitür abzuwenden. »Was ist mit den beiden anderen Kindern passiert? Wie sind sie umgekommen?« Zwei zerbrochene Zigaretten lagen auf dem Steinboden.
    »Die genaue Todesursache steht noch nicht –«, setzte Harry an, während er sich erhob und hinter Mike in den Mittelgang hinaustrat.
    Mike drehte sich zu ihm um. »Kommen Sie mir bloß nicht mit so was. Bei allem Respekt, Reverend«, fuhr er fort, »Sie waren heute Morgen in der verdammten Pathologie dabei. Ist ihnen der Schädel eingeschlagen worden?«
    Harry atmete tief durch. Das hier war ein Fehler gewesen. Er hätte sich da nicht mit hineinziehen lassen dürfen. »In beiden Fällen gab es Hinweise auf ein Schädeltrauma«, begann er. »Aber wir müssen wirklich abwarten –«
    »Wie bei Lucy?«, wollte Mike wissen.
    »Der Pathologe hat gesagt, die Verletzungen könnten von Stürzen herrühren«, sagte Harry. Rushton würde ihn umbringen.
    »Wie bei Lucy?«, wiederholte Mike.
    »Ich fürchte, das ist wirklich alles, was ich Ihnen sagen kann«, erwiderte

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