Bluternte: Thriller
konnte geradewegs in den Garten der Fletchers hinunterblicken. Drei Beamte der Spurensicherung waren dort unten zugange. Zwei schienen Steine, die sich anscheinend aus der Mauer gelöst hatten, zum Rand des Gartens zu schleppen. Eine kleine Kinderstatue war dazwischen abgelegt worden. Die Rollos in den Fenstern des Hauses waren noch immer heruntergezogen.
»Also, jetzt kann man den Sarg sehen«, berichtete Jove. »Da, hübsche Eichenverkleidung. Gestern Nacht haben wir ihn nicht bemerkt, aber der größte Teil der einen Seite liegt frei, wie Sie sehen.«
Harry sah Holz, fleckig von Feuchtigkeit. Hier und da zerbröckelte es. »Das können wir nicht so lassen«, meinte Jove, »also werden wir den Sarg rausheben und Clarke holen, damit er sich das mal ansieht. Irgendwas Verdächtiges, und das Ganze geht ab ins Labor.«
»Sehr gut«, lobte Rushton. »Auf der andern Seite müssen wir es genauso machen. Hat schon jemand eine Exhumierung beantragt?«
»Glaub’ schon, Sir, aber ich prüf’s nach.«
»Unter der Kirche gibt es einen riesigen Keller.« Harry konnte nicht länger schweigen. »Kalt und trocken. Man könnte davon ausgehen, dass Leichen in so einem Raum mumifizieren. Er war jahrelang abgeschlossen. Haben Sie ihn durchsucht, als Sie nach Megan gesucht haben?«
»Ja.« Rushton nickte. »Sinclair hat ihn für uns aufgesperrt. All die alten Sarkophage sind geöffnet worden. Wir haben auch die Hunde mit runtergenommen. Fehlanzeige. In der Kirche sind sie mal eine Zeitlang richtig aufgedreht, auf der Treppe, die zu einem von diesen alten Glockentürmen führt.«
»Und?«, drängte Harry und drehte sich nach der Kirche um. Nur der am nächsten gelegene Glockenturm war aus diesem Blickwinkel zu sehen, der an der Südwestecke.
»Drei tote Tauben«, meinte Rushton. »Ich konnte sie selber riechen, bevor ich halb die Treppe rauf war.«
»Werden Sie noch einmal im Keller nachsehen?«, fragte Harry. »Es waren Mädchen von hier. Sie sind von hier verschleppt worden und hier gefunden worden. Sie müssen irgendwo in der Nähe aufbewahrt worden sein.«
Rushton würdigte ihn kaum eines Blickes. »Vielen Dank, Reverend, die Polizei hat Erfahrung mit Mordermittlungen.«
Ein Funkgerät begann zu knistern. Jove löste es vom Gürtel und wandte sich von der Gruppe ab. » DI Neasden«, meldete er sich. Kurz darauf drehte er sich wieder zu seinem Vorgesetzten um. »Sie werden im Haus gebraucht, Boss. Sie haben was gefunden.«
»Wie lange wird sie schlafen?«, wollte Gwen Bannister wissen.
»Schwer zu sagen«, antwortete Evi. »Temazepam ist ein sehr mildes Beruhigungsmittel, und ich habe ihr nicht viel gegeben. Jemand, der ein bisschen fitter ist und vielleicht mehr Körpermasse hat, würde sich bloß sehr schläfrig fühlen, vielleicht auch ein bisschen weggetreten sein. Gillian muss sehr erschöpft ein, dass sie so schnell eingeschlafen ist.«
Gillians Gesicht hatte sich entspannt, ein Teil der Anspannung der letzten Stunde war verschwunden. Sie sah jünger aus, gelöster. Ein Arm war auf dem Kopfkissen ausgestreckt. Das langärmelige T-Shirt, das sie trug, war fast bis zum Ellenbogen hochgerutscht. Evi streckte die Hand aus, nahm sanft Gillians Arm und zog den Stoff noch ein wenig höher.
»Ich dachte, es geht ihr besser«, sagte ihre Mutter und betrachtete die frischen, dunkel verfärbten Narben auf dem Unterarm der jungen Frau. »Es ist besser geworden, seit sie zu Ihnen geht.«
»So etwas dauert«, erwiderte Evi. »Es ist noch sehr früh.«
Gwen wandte sich zur Tür. »Kommen Sie, meine Liebe, Sie sollten nicht stehen. Was sagen Sie zu was Heißem?«
»Das wäre schön«, meinte Evi. »Kommt mir vor, als wäre das Frühstück schon sehr lange her.«
»Tee oder Kaffee?«
Gwen verließ das Schlafzimmer. Evi blieb noch lange genug stehen, um Gillians verletzten Arm unter die Bettdecke zu schieben und diese ein wenig höher über die Schultern der Schlafenden zu ziehen.
»Tee bitte, mit Milch, kein Zucker«, rief sie leise, als sie ins Wohnzimmer zurückkam. Der Nebel draußen wurde definitiv dichter. Als sie bei Gillian angekommen waren, hatte er über den höheren Gebieten des Moors und dem oberen Teil des Ortes gehangen. Seither war er herabgekrochen gekommen. Sie konnte gerade noch einen Teil des verfallenen Kirchturms ausmachen. Dahinter nichts mehr.
Evi wandte sich vom Fenster ab und setzte sich. Der Couchtisch vor ihr sah aus, als wäre er mit feinem Staub überpudert worden. Sie hörte den Kessel kochen,
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