Bluternte: Thriller
General. Hat sich beide Handgelenke aufgeschnitten. Ziemlich übel, nach allem, was man so hört.«
Evi hielt sich die Hand vor den Mund. »O mein Gott«, flüsterte sie.
»Wird sie es überleben?«, fragte Alice. »Wenn sie stirbt …«
»Immer mit der Ruhe«, sagte Rushton. »Ich fahre gleich hin. Sie haben noch nicht mit ihr reden können, aber ich werde mal sehen, ob ich dem zuständigen Arzt nicht ein bisschen Druck machen kann. Und Jove hat auch nicht untätig rumgesessen. Er spricht mit ihrer Mutter darüber, ob sie und Gillian irgendwelche Verbindungen nach Blackburn haben – alte Freunde, Verwandte, ob sie mal da gewohnt haben …«
»Ich muss mitkommen.« Evi stemmte sich mit Gewalt auf die Beine.
»Evi, du kannst doch nicht –«, setzte Harry an.
»Ich bin ihre Therapeutin.«
»Bei allem Respekt, Dr. Oliver, aber ich bezweifle, dass Sie auf der Liste der Leute, die sie jetzt sehen will, sehr weit oben stehen.« Rushton zog den Reißverschluss seiner Jacke zu. »Wenn wir der Ansicht sind, dass ein bisschen Überredung nötig ist, dann holen wir vielleicht den Vikar. Jetzt entschuldigt mich, Leute.«
Rushton ging. Er irrte sich, sie war verantwortlich für Gillian, sie musste ins Krankenhaus fahren. Evi stand auf und machte sich auf den Weg durch die Küche, als die Haustür hinter dem Detective ins Schloss fiel. Sie war halb den Flur hinunter, als Harry sie einholte.
»Du gehst nirgendwo hin«, sagte er.
Sie schüttelte seine Hand von ihrem Arm. »Das ist alles meine Schuld«, stieß sie mit gedämpfter Stimme hervor. Sie wollte die Kinder nicht wecken, wollte nicht, dass Alice und Gareth hörten, wie sehr sie alles vermasselt hatte. »Ich bin für ihr Wohlergehen verantwortlich, und ich habe sie im Stich gelassen.«
»Du hast nichts dergleichen getan.« Harry konnte anscheinend nicht leise sprechen. »Seit wir uns kennengelernt haben, hast du dich mit aller Kraft bemüht, das Richtige zu tun. Ich war derjenige, der dich nicht in Ruhe gelassen hat, und wenn jemand an all dem schuld ist, dann bin ich es. Ich fahre ins Krankenhaus.«
»Keiner von euch beiden fährt hier irgendwo hin.« Als Harry sich von ihr abwandte, konnte Evi Gareth in der Küchentür stehen sehen. »Und ich habe mir jetzt für einen Abend wirklich genug ungebremsten Blödsinn angehört. Jetzt kommt wieder rein und helft uns rauszufinden, wo sie Joe versteckt hat.«
Tom stand im dunklen Wohnzimmer und lauschte auf die Geräusche auf dem Flur. Halb hoffte er, jemand würde die Tür aufmachen und ihn und Ebba sehen, doch er brachte es nicht recht über sich, zu rufen. Dann knallte die Haustür zu. Er konnte Evi und Harry im Flur miteinander streiten hören, und dann sagte sein Dad irgendetwas. Dann gingen die Erwachsenen alle wieder in die Küche.
»Ich muss meinen Dad holen«, sagte Tom.
Das Mädchen zitterte am ganzen Leib. Sie schüttelte den Kopf und blickte zur Tür, sah dann wieder ihn an und schaute dann zum Fenster. Sie machte einen Schritt darauf zu.
»Er tut dir nichts«, beteuerte Tom, obwohl er in Wahrheit nicht mit Sicherheit sagen konnte, was sein Dad mit jemandem machen würde, der Joe etwas angetan hatte. Ebba machte noch einen Schritt auf das Fenster zu. Sie war drauf und dran wegzulaufen, und sie würden sie niemals kriegen. Ein ganzes Polizistenteam hatte den ganzen Tag lang das Dorf abgesucht und sie nicht gefunden. Sie würde weglaufen, und seine letzte Chance, Joe zu finden, wäre vertan.
War es der Anblick ihrer Furcht, der seine eigene Angst minderte? Denn obgleich das hier das seltsamste Erlebnis seines ganzen Lebens war – und in letzter Zeit hatte er einiges Seltsame erlebt –, stellte Tom fest, dass er gar nicht so viel Angst hatte, wie er eigentlich erwartet hatte. Ganz schön Schiss hatte er schon, zugegeben, bloß nicht … Joe hatte nie Angst vor Ebba gehabt.
»Warte«, hörte Tom sich sagen. »Ich sag’s ihm nicht.« Wovon redete er da eigentlich? So war das Ganze doch geplant gewesen, oder? Sie festhalten und seinen Dad rufen.
Aber Millie hatte doch auch keine Angst gehabt. Als sie Joes Zeichnung von Ebba gesehen hatte, hatte ihr kleines Gesicht gestrahlt, als sehe sie das Bild einer alten Freundin vor sich.
»Tommy, komm«, sagte Ebba und streckte ihm die Hand hin. Sie strebte auf das Fenster zu, gleich würde sie weg sein.
Er nickte. Hatte er sie noch alle? »Okay.«
Alice, Evi und Harry saßen wieder am Küchentisch. Nur Gareth blieb stehen. Er sah Evi an. »Wo hat sie ihn
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