Bluternte: Thriller
wieder ganz dicht an ihrem Ohr. »Die Fletchers waren eben noch hier, sie können nicht weit sein. Nein, ich glaube wirklich nicht, dass Sie …«
Evi setzte sich auf. Der Mann, der neben ihr kniete, schien zu zierlich gebaut, um Deutscher oder Österreicher zu sein. Und diese Hügel überall um sie herum waren keine Berge. Es waren Hochmoore, die gerade die sanfte dunkelviolette Farbe einer frischen Prellung annahmen.
»Ist alles okay?«, wollte der blonde Mann wissen, der Shorts und ein Laufshirt trug. Jungen auf Fahrrädern. Duchess in Panik. Sie war von einem vorüberkommenden Jogger gerettet worden. »Wo tut es weh?«, fragte dieser gerade.
»Überall«, knurrte Evi und stellte fest, dass sie sprechen konnte. »Nichts Schlimmes. Wo ist Duchess?«
Der Jogger wandte den Kopf und schaute den Hügel hinunter, und Evi tat es ihm nach. Duchess war an einem alten Eisenring an der Ecke der Kirchenmauer angebunden. Sie hatte den Kopf gesenkt, und ihre langen gelben Zähne machten kurzen Prozess mit einem kleinen Brennnesseldickicht.
»Gott sei Dank, dass Sie sie eingefangen haben«, stieß Evi hervor. »Diese blöden Scheißer. Vor ein paar Tagen hatte sie ein üble Prellung am Bein. Ist alles in Ordnung mit ihr?«
»Na ja, offensichtlich ist sie am Verhungern, aber sonst geht’s ihr gut. Nicht dass ich mich mit Pferden besonders gut auskenne, fürchte ich.«
Duchess stand fest auf allen vier Beinen. Würde sie fressen, wenn sie Schmerzen hätte? Durchaus möglich, so wie sie Duchess kannte.
»Sind Sie sicher, dass Sie sich nichts getan haben?«, erkundigte sich der Mann, der, wie sie jetzt feststellte, Segelschuhe trug. Und die Shorts waren keine Laufhosen. Sie waren aus blau-weiß gestreifter Baumwolle und reichten ihm fast bis zu den Knien. Die Haare hinten auf seinen Waden waren blond und dicht.
»Ziemlich«, antwortete sie und wandte den Blick von seinen Beinen ab. »Ich bin Ärztin, ich würde das merken«, fügte sie hinzu, als er sie unsicher ansah. »Meinen Sie, Sie könnten mir helfen, von der Straße runterzukommen?«
»Natürlich, entschuldigen Sie.« Der hellhaarige Mann sprang auf, bückte sich und hielt Evi die Rechte hin, als wolle er ihr von einer Picknickdecke aufhelfen.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, das wird nicht klappen. Ich kann nicht allein aufstehen. Könnten Sie mich vielleicht unter den Armen fassen und hochheben? So schwer bin ich gar nicht.«
Er schüttelte den Kopf und machte ein besorgtes Gesicht. »Sie haben doch gesagt, Sie wären nicht verletzt«, meinte er. »Wenn Sie nicht allein aufstehen können, dann sollte ich Sie wohl nicht hochheben, denke ich. Ich glaube, wir sollten Hilfe rufen.«
Musste sie es ihm erst buchstabieren?
Evi holte tief Luft. »Ich habe mich nicht verletzt, aber vor drei Jahren hatte ich einen schlimmen Unfall. Mein Ischiasnerv ist seitdem ernsthaft lädiert«, erklärte sie. »Ich kann nicht ohne Hilfe gehen, und mein linkes Bein hat definitiv nicht genug Kraft, um mein Gewicht zu tragen, wenn ich von diesem Kopfsteinpflaster aufstehe. Das übrigens nicht besonders bequem ist.«
Der Mann starrte sie einen Augenblick an, dann sah sie, wie sein Blick auf ihr linkes Bein fiel, unnatürlich dünn und hässlich in der roten Reithose.
»Ist auf dieser Straße eigentlich viel Verkehr?«, erkundigte sich Evi und schaute den Hügel hinauf.
»Nein. Aber Sie haben vollkommen recht. Entschuldigung.« Er kniete sich wieder hin und schob den rechten Arm unter ihre Schultern. Seine linke Hand glitt unter ihre Oberschenkel, und obwohl sie damit gerechnet hatte, durchaus darauf gefasst gewesen war, berührt zu werden, fühlte sie, wie sie ein Schlag durchzuckte, der nichts mit Schmerzen zu tun hatte. Dann stand sie aufrecht, gegen ihn gelehnt, und er roch nach Haut und Staub und frischem Männerschweiß.
»Okay, zehn Meter den Hügel hinauf ist eine Bank, auf der wegmüden Schäfern Rast und Erquickung zuteilwerden soll. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die etwas dagegen haben, wenn wir sie uns ausleihen. Schaffen Sie’s bis dahin?«
»Natürlich«, erwiderte sie schroff, obwohl das leichter gesagt als getan war. Ihr blieb nichts anderes übrig, als den Arm um seine Taille zu legen. Er war warm. Natürlich war er warm, es war ein warmer Tag, und ihr war auch warm, und wahrscheinlich roch sie nach Pferd. Evi setzte das rechte Bein vor, und ihr linkes Bein schrie sie an, sofort mit diesem Unsinn aufzuhören.
»Verdammt«, murmelte sie halblaut und
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